Die Schreibwerkstatt "Das Textprojekt" bietet in regelmäßigem Rhythmus neue Kurse an.
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Dienstag, 17. April 2012

Eine 18. Strategie gegen Schreibhemmungen: Mut zum Trash

Steckt man trotz aller Tricks, Anstrengungen und Versuche (siehe http://textprojekt.blogspot.de/2011/01/17-strategien-gegen-schreibhemmungen.html)  hoffnungslos in dem Text, in den Figuren, in dem Konflikt fest, kann es manchmal befreiend sein, die Ernsthaftigkeit des eigenen Anspruchs zu durchbrechen. Es gibt zahllose Autoren, die sich mit trivialen Klischees und Genre-Versatzstücken durch ihre Handlungsabläufe retten. Warum sich nicht einfach mal daran probieren?

Was würde passieren, wenn sich die Figuren plötzlich in einem Schundroman wiederfänden? In einem Geiseldrama? In einer Ufo-Entführung? Wenn man sie plötzlich des Mordes verdächtige? Wenn sie durch außerirdischen Schleim zu einem Monster oder Superhelden mutierten? Einen Mord begingen? Nach Las Vegas führen, alles verspielten und im Suff eine Stripperin heirateten - die sich als ihre Schwester entpuppt? In eine Verschwörung von Nazis / Freimaurern / Satanisten / Untoten / Gralshütern gerieten? Unerwarteter Retter bei einem Zugunglück würden? Sich unsterblich in eine blutjunge Nonne verliebten? Eine sagenhafte Erbschaft machten? Der einzig mögliche Organspender für ein krebskrankes Kind in Timbuktu wären? Herausfänden, daß ihr Vater (oder ihre Mutter!) der wahre Mörder von John F. Kennedy ist?

Wenn man einmal die engen Geleise verläßt und sich auf ein anarchisches Spiel mit dem Text einläßt, kann es sein, daß sich plötzlich ganz neue - auch weniger extravagante - Optionen eröffnen, z. B. in Form einer überraschenden Wendung. Mitunter können diese Exkursionen abgewandelt und auf eine angemessene Weise in den Handlungsverlauf eingefügt werden.
Selbst wenn sie nicht unmittelbar verwertbar sind, regen solche  Tête-à-Têtes mit Trash- und Genre-Versatzstücken in jedem Fall die Vorstellungskraft an und erinnern daran, daß der Handlungsspielraum, den man als Autor hat, im Prinzip unbegrenzt ist. So kann man das gedankliche Korsett sprengen, in das man sich selbst oft unbewußt gezwängt hat, und brachliegende kreative Reserven mobilisieren.

(Mit Dank an A. Kohlschmidt)