Die Ausstellung "Die Sache mit dem Gold" von Elke Suhr findet statt im Einstellungsraum e.V. im Rahmen des Jahresthemas 2020: Sprit oder Spirit
Ausstellungsansicht, Elke Suhr "Die Sache mit dem Gold", Einstellungsraum e.V. 2020 |
Als Francisco Pizarro im Jahr 1531 mit kaum mehr als 170 Soldaten in das Reich des Inkas Atahualpa kam, brachte er nicht nur zahlreiche Krankheiten mit, die maßgeblich dazu beitrugen das damals größte Weltreich in kürzester Zeit auszulöschen, sondern auch eine vollkommen andere, mindestens ebenso zerstörerische Auffassung von einem seltenen Rohstoff: dem Gold.
Während das Gold für die Spanier nichts anderes war, als ein Mittel zur ökonomischen Sicherung und Ausweitung weltlicher Macht, hatte es für die indigenen Völker Südamerikas ausschließlich eine spirituelle Dimension.
Während das Silber dem Menschen und der Erde zugeordnet war, gehörte das Gold zu der Sphäre des Himmels und der Götter. Es war nicht Symbol des Heiligen, sondern es selbst war heilig. In der Anthropologie nennt man diesen Effekt eine mythische Identifikation. Für die Inkas war es entsprechend völlig unvorstellbar, das Gold im Sinne materiellen Reichtums zu besitzen. Genauso unvorstellbar wie es z.B. für die Spanier war, daß die Könige der Muisca bei ihrem Amtsantritt große Mengen an Gold in einem See versenkten, anstatt es in ihren Schatzkammern zu horten.
Verfolgt man jedoch die Spur des Goldes in der Kulturgeschichte der Alten Welt, gelangt man bald zu der Einsicht, daß die Vorstellung der Conquistadoren ähnliche Wurzeln hatten, wie die der südamerikanischen Völker. Denn auch in Europa und Asien kann das Gold auf eine lange Tradition der Assoziierung mit dem Heiligen zurückblicken.
Die ältesten Goldartefakte der Menschheit stammen von dem spätneolithischen Gräberfeld von Warna in Bulgarien um etwa 4500 v. Chr., und zwar aus dem Grab eines Mannes, den man wohl als Priesterfürsten ansprechen kann. Sie bestehen aus Armreifen, Knöpfen, runden Schmuckplatten, einem Zepter und vor allem einer markanten, mehr als handtellergroßen Goldscheibe. In der folgenden Bronzezeit sind scheiben- und kegelförmige Goldobjekte bereits über ganz Mitteleuropa verbreitet, wie die bekannten Goldhüte und Goldkegel oder die Scheibe des berühmten Sonnenwagens von Trundholm. Es liegt nahe, diese Goldscheiben als Repräsentationen einer vergöttlichten Sonne zu interpretieren.
Auch in dem altorientalischen Kulturkomplex mit seinem starken Bezug auf die Gestirne war das Gold explizit das Element der Sonne und Symbol des Sonnengottes Šamaš, dargestellt durch die geflügelte Sonnenscheibe, die genauso im alten Ägypten für den Sonnengott Ra steht und im Reich der Hethiter für den „Sonnengott des Himmels“.
Wann immer Gold in den archäologischen Befunden der frühen Kulturen auftaucht, geschieht es mit einem symbolischen Bezug auf die Sonne und einem ausgeprägt rituellen und religiösen Kontext.
Doch steht das Gold nicht nur für den Glanz der gottgleichen Sonne. In zahllosen Mythen wird es auch herangezogen, um den Glanz des Paradieses zu vermitteln.
Noch heute ist uns die antike Vorstellung eines Goldenen Zeitalters geläufig, in dem die Menschen noch in völligem Einklang mit sich selbst und der Natur lebten. Hesiod berichtet von einem ersten goldenen Menschengeschlecht, das sorglos in einem paradiesischen Zustand unter der Herrschaft des Kronos/Saturn lebte und die Angst vor dem Tod nicht kannte. Es wurde abgelöst von einem silbernen Geschlecht, dann von einem aus Bronze, das wiederum von einem heroischen und schließlich von dem heutigen, dem eisernen Geschlecht abgelöst wurde, wobei die Lebensdauer und die geistigen Fähigkeiten von Stufe zu Stufe abnahmen.
Aus dem christlichen Zusammenhang, der Offenbarung des Johannes, kennen wir wiederum die Vorstellung des Neuen Jerusalems, einer Stadt aus Gold und Edelsteinen, in der die Menschen in der Anwesenheit Gottes leben werden. Diese Vorstellung entspricht erstaunlich genau der buddhistischen Vision des Buddhalandes des Amithaba-Buddha, der auch als Sonnenbuddha oder Buddha des Unermeßlichen Glanzes verehrt wird. Die Hindus nennen das erlösende Paradies Uttarakuru, das Juwelenland, das bewässert wird von Seen mit goldenen Lotosblumen.
Auch in der jüdischen Kaballa ist das Gold mit dem Heiligsten assoziiert: zwei der Sefiroth des Lebensbaumes sind damit gekennzeichnet: die Sefirah Tiphereth, die das Gold, die Sonne, die Schönheit und Erzengel Michael, den Stellvertreter Gottes, repräsentiert, sowie die Sefirah Kether, die für die goldene Krone steht, den Uranfang, die Zahl 1 und den Erzengel Metatron, das Angesicht Gottes.
Das Kether als goldener Uranfang wiederum korrespondiert mit dem goldenen Ei des Brahma, das in den Veden als Ursprung aller Erscheinungen bezeichnet wird.
Doch schon in den hieratischen Stadtstaaten Mesopotamiens und signifikant in den altorientalischen Großreichen ist zu beobachten, wie das Heilige und die weltliche Macht sich überschneiden und die Symbole des einen auf das andere übergehen. So ließ sich der hethitische Großkönig z.B. mit dem Titel „Meine Sonne“ anreden und die geflügelte Sonne wurde zur Herrschaftsinsignie. Gleichzeitig wurden die Gesetze, die seinen Herrscheranspruch untermauerten, auf goldene Tafeln geschrieben. Das Gold wurde also auch zum Kennzeichen der weltlichen, politischen Macht eines göttlich legitimierten Herrschers. Die mythologische Identifikation des Goldes mit dem Göttlichen wurde aufgeweicht.
Diese schleichende Trennung spiritueller und weltlicher Bedeutung, die in der neuen Welt nie stattgefunden hat, nahm in der Alten Welt wahrscheinlich ihren Anfang in der Zeit der ersten chalkolithischen Stadtstaaten, und sie scheint offensichtlich unumkehrbar zu sein. Das Gold war nun nicht mehr nur mit dem Numinosen verknüpft, sondern auch mit der weltlichen Sphäre, mit rein materieller Macht, und es kann demzufolge auch in die Irre locken, wie im Alten Testament mit der Anbetung des goldenen Kalbes belegt ist. Hier ist die mythische Identifikation aufgehoben und ihre Mechanismen sind durchschaut: Das Gold ist nicht mehr an sich heilig, sondern es ist nur noch Symbol des Heiligen und kann deshalb auch mißbraucht werden, um Heiligkeit zu behaupten. Auf diesem Weg wird es zum Mittel ökonomisch errungener Machterhaltung.
Im 6. Jhd. wurde schließlich die letzte Schwelle zur Ökonomisierung überwunden, in dem der lydische König Kroisos Gold zu einheitlichen Münzen prägen ließ. Dieses zu Geld gewordene Gold war nur noch mit der währungsstiftenden ökonomisch-politischen Macht des Königs verknüpft.
Da die drei Aspekte der Macht, die politische, die ökonomische und religiöse Macht, jedoch bis in die Neuzeit eng miteinander verknüpft blieben, blieb auch die ideelle Bedeutung des Goldes weitgehend unberührt - und ist es bis heute. Reliquien, heilige Ikonen, Kuppeln von Kirchen, Moscheen und Stupas werden vergoldet, ebenso Kruzifixe, Buddhafiguren, Altäre. Auch der Hirtenstab und der Fischerring des Papstes sind aus Gold.
Das Gold symbolisiert nach wie vor das Angestrebte, das hehre Ziel, den metaphorischen Olymp. Entsprechend der Rangfolge, die Hesiod vorgab, streben Sportler nach Bronze, Silber und Gold. In der Wirtschaft werden bislang unübertroffene Verfahren als „Goldstandard“ bezeichnet und wer eine goldene Kreditkarte sein eigen nennt, muß sich über seine Kreditwürdigkeit keine Sorgen machen.
Doch das lichte Gold hat sich auch als spiritueller Topos erhalten. So ist z.B. das Ziel des Opus Magnum der Alchimie die Herstellung von Gold, bzw. des Steins der Weisen, mittels dessen sich andere Materialien zu Gold transmutieren lassen.
Daß dieser materielle Prozess als eine Metapher der seelischen Läuterung im Sinne der Hermetischen Tradition begriffen werden muß, wird bereits in den ältesten alchimistischen Schriften der Antike bekräftigt, so bei Zosimos von Panopolis aus dem 3 Jhd. n. Chr. Die vierte Stufe dieser von ihm beschriebenen seelischen Läuterung wird als Rubedo, die „Rötung“, bezeichnet, also die Umwandlung in rotes Gold. Für Gustav Meyrink bedeutet diese Zielvorstellung der Alchimie die Vereinigung des Menschen mit Gott, so wir sie im Neuen Jerusalem oder dem Land des Buddha Amithaba verwirklicht sehen.
C.G. Jung griff diese spirituelle Deutung des Opus Magnum für seine Psychoanalytische Methode auf. Er setzt das „Rubedo“ dem Selbst gleich und sah in dem Prozess der Individuation eine „Transmutation der Seele“. In der darauf basierenden psychoanalytischen Literatur taucht immer wieder der Begriff „Gold der Seele“ auf, der Schatz der im Archetypus des Schattens verborgen ist und gehoben werden muß.
An diesem Punkt fällt die Wissenschaft von der Seele mit den verschiedensten „inneren Wegen“ und mystischen Praktiken zusammen, die sich mit dem Numinosen nicht in einem elysischen Jenseits vereinigen wollen, sondern die darauf abzielen, das Göttliche in uns selbst freizulegen, mit ihm eins zu werden, ganz so wie Goethe in den Zahmen Xenien schreibt:
Wär nicht das Auge sonnenhaft,
die Sonne könnt es nie erblicken.
Läg nicht in uns des Gottes eigne Kraft,
wie könnt uns Göttliches entzücken?
Die sich uns dergestalt offenbarende universelle symbolische Bedeutung des Goldes, die durch alle Zeiten und Räume wirksam ist, läßt sich wohl auf seine physikalischen Eigenschaften zurückführen.
Am augenscheinlichsten ist zunächst sein Glanz, den der Mensch nicht nur mit dem Licht der Sonne verbindet, sondern auch mit dem überirdischen Glanz mystischer Visionen; dann ist sicherlich die Eigenschaft des Goldes, nicht zu korrodieren, von Bedeutung. Weder verbindet es sich mit anderen Elementen, noch nimmt es Schaden, wenn es durch das Feuer geht. Diese Eigenschaften bieten sich an, um ihm die Attribute der Ewigkeit und der Treue zuzuschreiben, die wir z.B. in der Symbolik des goldenen Eherings repräsentiert finden.
Bevor ich mich von diesen verschiedenen Gedanken über das Gold der aktuellen Ausstellung von Elke Suhr zuwende, möchte ich noch kurz auf zwei weitere Aspekte hinweisen, die in den ausgestellten Arbeiten eine entscheidende Rolle spielen:
Zunächst sei auf einen Effekt hingewiesen, den das Gold durch all die genannten Eigenschaften und ihm zugeschriebenen Attribute zeitigt:
Es teilt die Welt auf in ein erstrebenswertes „Woanders“, eine Zeit oder einen Ort, wo es in Überfülle auftritt, und ein durch seine Abwesenheit als mangelhaft gekennzeichnetes „Hier und Jetzt“, das es zu überwinden gilt. Der Ist-Zustand ist ein abgetrenntes Leben im Schatten und im Mangel, fern des Numinosen. Der angestrebte, goldene Zustand, ob in unseren Schatten verborgen oder in einem fernen Jenseits, ob wahrhaftig oder trügerisch, ist getaucht in goldenes Licht und ist gekennzeichnet durch Überfülle und die Vereinigung mit dem Göttlichen. Dazwischen jedoch liegt eine Grenze.
Ein anderes, immer wieder kehrendes Element in den Arbeiten von Elke Suhr ist das Raster, das man, durch seine Assoziation mit dem Gold, und durch seine Verortung jenseits der Grenze, als dem Numinosen zugehörig lesen kann.
Denn das Reich des Göttlichen ist nicht nur weltweit repräsentiert durch den goldenen Schein, seine Reinheit und Ewigkeit, sondern auch durch die ewige göttliche Ordnung.
Im alten Ägypten bezeichnete man sie als „Ma´at“, in Sumer als „Me“. In beiden Fällen teilte sie sich dem Menschen in Form einer strengen mathematischen Ordnung mit. Aus diesem Zusammenhang floß die Zahlenmystik in den jüdisch-christlichen Kontext ein, um schließlich in der Kabbalah ihre elaborierteste Form zu finden. So lesen wir bei Isidor von Sevilla (560 - 636 n.Chr.): Die Bedeutung der Zahlen ist nicht zu verachten. An vielen Stellen in den heiligen Schriften wird nämlich deutlich, welch großes Geheimnis sie enthalten. Denn nicht umsonst heißt es in den Lobpreisungen Gottes: »Du hast alles nach Maß und Zahl und Gewicht gemacht.«
Von der mythogenetischen Zone des Alten Orients verbreitete sich das Konzept einer heiligen, ewigen Ordnung bald durch umfangreichen Kulturtransfer nach Osten und gelangte mit den vedischen Texten unter dem Begriff „Rita“ nach Indien. Daraus ging wiederum das Konzept des „Dharma“ hervor, wie wir es im Hinduismus und Buddhismus kennen, gebildet aus dem Verbalstamm „dhri“, der halten und stützen bedeutet. Die östlichste Form der strengen Weltordnung stellen schließlich die Hexagramme des I-Ging im taoistischen China dar, die erlauben, alle Naturerscheinungen als bloßes Chiffre zu lesen, als binär ausdifferenzierte Erscheinungen des Tao.
Diese drei Elemente: das Gold, die Grenze und die ewig währende Ordnung tauchen in allen Arbeiten Elke Suhrs in verschiedener Gewichtung auf. Und fast immer werden sie verbunden durch das Motiv des Aufstiegs, einer Bewegung, die von dem Wunsch motiviert ist, die Grenze zu überschreiten und in die Gefilde der numinosen Ordnung, der Einheit und des goldenen Glanzes vorzudringen.
Elke Suhr, O.T., 2020 |
Eines der Gemälde zeigt einen Turm aus Kuben, die aus einem blauen Grund in eine obere, goldene Sphäre streben. Darin sieht man flüchtige Kreuze, die Skizze eines Rasters, eher eine Projektion der vermuteten Ordnung, die von den Kuben imitiert wird. Doch der Turm, in dem wir vielleicht auch den Turmbau zu Babel sehen können, ist weit von der Ordnung des skizzierten Rasters entfernt. Seine Basis scheint bereits in einen chaotischen Zerfallsprozess übergegangen zu sein.
Elke Suhr, "Die Sache mit dem Gold", 2020 |
Auf einem anderen Bild sehen wir die Kuben wie isolierte Gefängniszellen im Wasser. Auch hier wird das Raster nachvollzogen, als Gitter, das die eingesperrten Figuren beim Blick in die Höhe wahrnehmen können. Die Bewegung aufwärts wird aufgegriffen durch leiterartige Masten, die aus den Kammern hinauf ragen. Über dem Horizont darüber, erhaben und makellos, erhebt sich ein goldenes Raster. Daß dieses Raster dem ganzen imaginären Bildraum zugrunde liegt und ihn gewissermaßen trägt, können wir in dem blauen Hintergrund der unteren Bildhälfte erahnen: wie durch bewegtes Wasser schimmert das Raster hervor, so wie der Mensch in der diesseitigen Welt manchmal wähnt, eine göttliche Ordnung hervor scheinen zu sehen.
Elke Suhr, "Ende der Landschaft", 2020 |
Ein weiteres Bild zeigt eine menschliche Figur, der der Aufstieg zur universellen Ordnung fast gelungen ist. Während ihr Unterleib noch in einem krummen und fahrig zusammen geschusterten Gitter stecken geblieben ist, kann sie ihren Kopf zu dem perfekten Raster darüber erheben. Der schauende Kopf selbst ist, im Gegensatz zu dem Körper, leer, geläutert.
Der Oberrheinische Meister, "Paradiesgärtlein", Spätgotik |
Eine kleine Installation, inspiriert von dem Frankfurter Paradiesgärtlein des spätgotischen Oberrheinischen Meisters bringt die Aspekte des goldenen Paradieses, der Sonnensymbolik, der Grenze und der Ordnung zusammen. Wir sehen eine organisch oder flammend geformte Mauer um die sich die Uräusschlange gelegt hat, in der ägyptischen Mythologie das Auge Res und zugleich Trägerin der Sonnenscheibe. In ihrem Mund trägt sie ein goldenes Ei, zentrales Symbol des hinduistisch-brahmanischen Schöpfungsmythos.
Geschützt von der Mauer sehen wir kleine bedruckte Säckchen, gefüllt mit Salz, dem „weißen Gold“ Mitteleuropas, das bei den Römern und Griechen als Geschenk der Götter galt und bis ins Mittelalter als Zahlungsmittel diente, wovon noch heute der Begriff Salär zeugt, oder das englische Salary. Die kleinen Säckchen werden angeleuchtet von einer Taschenlampe, die als die unmittelbare Anwesenheit des numinosen Lichtes gelesen werden kann.
Die Schrift auf den Säckchen wiederum verweist auf das Buch, das die Maria im spätgotischen Paradiesgärtlein in Händen hält und das wir sicherlich als Bibel deuten können. In größerem Zusammenhang können wir es als stellvertretend für heilige Schriften im Allgemeinen begreifen. Den heiligen Schriften der großen Religionen ist wiederum zu eigen, daß in ihnen nicht nur vordergründig die Gesetze und damit die Ordnung für menschliches Verhalten vermittelt werden; es ist auch üblich, wie bereits erwähnt, ihnen eine zahlensymbolisch begründete Struktur zuzuschreiben, also den Nachvollzug der mathematisch göttlichen Ordnung.
Das vierte Element, die Grenze, die die beleuchteten Salzsäckchen umgibt, scheint in diesem Ensemble allerdings weniger eine zu überwindende Barriere zu sein, sondern vielmehr eine Schutzmauer, die einen Ort der Fülle, des Lichts und Erkenntnis zu behüten scheint.
Elke Suhr, Austellungsansicht "Die Sache mit dem Gold", Einstellungsraum e.V., 2020 |
Zwei weitere Arbeiten nutzen den metaphorischen Komplex von Gold und Aufstieg bzw. Überwindung der Grenze zur Einheit auf einer sehr persönlichen, psychologischen Ebene, die dem Umgang C.G. Jungs mit der Materie nahekommt.
Da sehen wir einen Spiegel in goldenem Rahmen, auf dessen Oberfläche, der Grenze zwischen Dieseits und Jenseits, das Wort „Schuld“ in Spiegelschrift geschrieben steht. Daneben hockt ein kleiner vergoldeter Vogel, ein schon in der Vorgeschichte geläufiges Symbol für die Seele. Hier wird der Rahmen zu einem goldenen Tor, der Blick in den Spiegel jedoch wird zu dem Blick auf einen abgespaltenen Doppelgänger, der uns mit der erratischen Schuldzuweisung den Blick auf unser vollständiges Selbst verstellt, aus dem wir das Gold der Seele zu heben erhoffen. Ein psychologische Vexierspiel, das eher individuell und subjektiv erfahren als vermeintlich objektiv gedeutet werden sollte.
Und schließlich begegnet uns im Keller die Verarbeitung eines Kindheitstraumas der Künstlerin in Aquarell, die Erinnerung an eine Bombennacht im Zweiten Weltkrieg, in der sie allein im Keller eines brennenden Hauses ausharren mußte, bis sie schließlich von ihrer Großmutter durch Finsternis und Rauch hinauf geführt wurde.
Hier begegnet uns der Aufstieg aus dem Schatten und dem Mangel des Ist-Zustandes in ein erlösendes Licht als erschütternde Realität. Das Licht erscheint jedoch als Zwienatur: es ist nicht nur die Antithese der Dunkelheit, sondern erscheint auch als zerstörerisches Feuer, das im Kontext des Aufstieges vielleicht als Fegefeuer gelesen werden kann, als das Feuer des Läuterungsberges, als eine Grenze anderer Art. Denn die Martern der Seele, die sie im Purgatorium erlebt, werden belohnt mit dem Aufstieg in das himmlische Paradies.
Und so möchte ich schließen mit der Vision der Himmelsleiter von Dante Alighieri wie er sie in dem Abschnitt „Das Himmlische Paradies“, einundzwanzigster Gesang, in der Göttlichen Komödie beschreibt.
Im Sternenspiegel, der die Welt umwandert
und jenes guten Herrschers Namen trägt *,
der alles Böse unter sich erstickte,
sah ich in goldner, lichtdurchwirkter Farbe
sich eine Leiter nach der Höhe recken,
so fernhin, daß mein Blick ihr nicht mehr folgte.
Und niedersteigen auf den Sprossen sah ich
so viele Lichter, daß ich dachte, alles
was glänzt im Himmel, strömte hier herab.
Übers.: Karl Vossler
*(gemeint ist Saturn, der gleichgesetzt wird mit Kronos, dem Herrscher des Goldenen Zeitalters und Vorgänger von Zeus)
ⓒ Dr. Thomas Piesbergen / VG Wort, Februar 2020
*(gemeint ist Saturn, der gleichgesetzt wird mit Kronos, dem Herrscher des Goldenen Zeitalters und Vorgänger von Zeus)
ⓒ Dr. Thomas Piesbergen / VG Wort, Februar 2020
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