Die Schreibwerkstatt "Das Textprojekt" bietet in regelmäßigem Rhythmus neue Kurse an.
März-April: Kursabschnitt 1 / Mai-Juni: Kursabschnitt 2 / August - Oktober: Kursabschnitt 3
Oktober-Dezember: Kursabschnitt 1 / Januar-Februar: Kursabschnitt 2
Anmeldung unter: thomas.piesbergen (at) gmx.de


Sonntag, 15. Oktober 2023

Verhüllt von Licht und der Dunkelheit - Gedanken zu Adriane Steckhans Ausstellung „Velato“

Die Ausstellung "velato" wird bis zum 23. Oktober in der Galerie Morgenland in Hamburg-Eimsbüttel gezeigt. Ein virtueller Rundgang ist in der Kunstmatrix möglich (KLICK), in der die Skulpturen leider nicht wieder gegeben werden können.

Adriane Steckhan, velato_fragment_01


In seinem Roman „Die unerträgliche Leichtigkeit des Seins“ schrieb der tschechische Romancier Milan Kundera über Licht und Schatten: 

Das grelle, blendende Licht und das absolute Dunkel (...) markieren Grenzen, hinter denen das Leben zu Ende geht.“ 

Er spielt damit auf zwei metaphorische Zusammenhänge an, die schon seit langer Zeit mit dem Tod assoziiert sind.
Von der sumerischen Unterwelt heißt es im Gilgamesh-Mythos: „...Haus des Dunklen, Sitz der Irkalla, ... dessen Bewohner beraubt sind des Lichtes, ... sie dürfen das Licht nicht schauen, denn sie sitzen im Finstern... Über das Haus des Staubes ist Totenstille gegossen.
Im antiken Griechenland gab es das Bild vom Reich der Schatten als Wohnort der Toten. Auch das germanische Helheim, Domäne der Totengöttin Hel, wird als dunkler, nebliger Ort beschrieben. Das Unterirdische Totenreich der Maya, Xibalba, dessen Name „Ort der Angst“ bedeutet, lag in der unterirdischen Nacht der Höhlen verborgen. Und die hinduistische Totengöttin Kali ist selbst nachtschwarz. Man könnte diese Reihe von Beispielen beliebig fortsetzen. 

Die Verknüpfung von Tod und Dunkelheit scheint also universell. Und so wie der Tod das ursächliche Faktum Tremendum ist, die furchteinflößende Tatsache schlechthin, so ist auch die Dunkelheit fast immer angstbehaftet. 

Folgt man den Gedankengängen von Bruce Chatwin zu den Mechanismen von Angst und Aggression, die er in seinem Buch „Traumpfade“ entwickelt, liegt der Ursprung dieser Verbindung in der Vorzeit des Menschen begründet, denn in der Dunkelheit lauerte der Tod in Form wilder Tiere. Um sich vor der drohenden Gefahr zu schützen, mußten die Vormenschen imstande sein, mögliche Gefahren in der Dunkelheit zu ahnen, also Dinge in das Unsichtbare zu projizieren. So lauerte die Gefahr nicht nur faktisch in der Dunkelheit, sondern die Dunkelheit wurde in der Vorstellung schlechthin zur Wohnstätte des Bösen und Todbringenden. Als die Vormenschen lernten, das Feuer zu beherrschen, wurde dessen Licht wiederum zu einem Schutz vor Dunkelheit und Tod.
Auch wenn man dieser Herleitung nicht folgen mag, bleibt unbestritten, dass einerseits der Topos der positiv belegten Dunkelheit sehr viel seltener ist, als die allgegenwärtige und konkrete Angst vor der Dunkelheit, und dass andererseits die Dunkelheit ein wirksamer Auslöser für aufsteigende, oft beunruhigende Bilder ist. 

Doch in dem wir ins Dunkle spähen und Dinge ins Dunkle projizieren, geschieht auch immer ein Transfer unseres Selbst in die Zonen, in die weder das Licht noch unser Auge dringt. Entsprechend steht in der Archetypenlehre von C.G. Jung der Schatten für verdrängte Anteile unserer Persönlichkeit, für Aspekte, die wir als böse oder sündhaft markiert haben, für Aspekte, die wir nicht wahrhaben und nicht sehen wollen.
Für den italienische Psychohistoriker Luigi de Marchi ist es, im Gegensatz zu Jung, vor allem die Tatsache des Todes, die wir nicht ertragen können und deshalb verdrängen, womit die enge Verbindung von Dunkelheit und Tod ein weiteres mal belegt ist. Nach seiner Theorie des menschlichen Urschocks dienen nahezu alle kulturellen Vorstellungen und Hervorbringungen des Menschen in erster Linie der Todesabwehr, also der Verdrängung des Wissens um unsere eigene Sterblichkeit. In der Dunkelheit, die wir in uns selbst durch Verdrängung geschaffen haben, lauert also, allem anderen voran, unsere Todesangst.
Diese Anschauung korrespondiert mit der Haltung Blaise Pascals, der in seinen Pensées schrieb: "Wir rennen unbekümmert in den Abgrund, nachdem wir irgendetwas vor uns hingestellt haben, das uns daran hindern soll, ihn zu sehen.

Adriane Steckhan, Erdenrest_Fragment_02

Die Dunkelheit ist also nicht nur der Ort, den wir fürchten, weil wir darin Dinge ahnen, die uns den Tod bringen könnten, sondern sie ist auch der Ort, an dem wir furchteinflößende Aspekte der conditio humana vor uns selbst und in uns selbst verbergen.
Wenden wir uns nun dem Licht zu und folgen zunächst einem verstorbenen Alten Ägypter:
Das ägyptische Totenreich, das Duat, war in zwei Bereiche eingeteilt. Zuerst betrat man die Zone der Dunkelheit, einen unterirdischen Versammlungsort der Toten, an dem sie zahlreiche Prüfungen und schließlich das Totengericht bestehen mussten. Erst dann durften sie die andere Seite des Duat betreten, das Sechet-iaru, die blaue Ur-Flamme und ihr Licht, das dem irdischen Auge unsichtbar ist, um schließlich am Rande der Welt, wo sich Himmel und Erde treffen, als reine Lichtwesen in den Himmel der Götter aufzusteigen.
Für die europäische Überlieferung ist vor allem das Höhlengleichnis von Platon mit seiner Lichtmetapher bedeutsam. Dort finden wir das blendende Licht als Bild der letzten großen Erkenntnis. Die Neoplatoniker begriffen das Licht des Höhlengleichnisses als einen Aspekt Gottes. Beeinflusst von dieser Tradition ist für Thomas von Aquin das Licht gleichbedeutend mit der Erkenntnis Gottes beim Betreten des Paradieses nach dem Tod.
Mit dieser Vorstellung korrespondieren nahezu alle Beschreibungen von Nahtoderfahrungen, bei denen der Übergang vom Leben zum Tod als das Eintreten in ein überirdisches Licht visualisiert wird. Bereits Hieronymus Bosch malte die allgemeingültige Darstellung dieser Vision in seinem „Aufstieg der Seligen“. 

Das Licht ist also, ebenso wie die Dunkelheit, eine kulturell und psychologisch tief verwurzelte Metapher des Todes.
Doch was jenseits dieses Lichtes liegen mag, bleibt verborgen. Denn, wie schon bei Platon beschrieben, bleibt es ein blendendes Licht und erfüllt damit im Wesentlichen die gleiche Funktion, wie der Schatten.
Es verbirgt. 

Natürlich kennen wir das Licht auch in einem ganz anderen Zusammenhang: als das Licht der Erleuchtung oder das Licht der Vernunft, das Licht des Verstandes. Es durchdringt und macht sichtbar. Es löst die Dunkelheit und damit die Angst auf. Doch wenn wir dem Gedanken einer vollständigen Erleuchtung, oder besser Durchleuchtung, der Welt folgen, werden sehr bald Effekte deutlich, die das Gegenteil des Beabsichtigten bewirken.
In seiner ästhetischen Schrift „Lob des Schattens“ wies Tanizaki Jun’ichirō darauf hin, wie vulgär und oberflächlich eine vollständige Ausleuchtung mache, wie die Dinge ihr Geheimnis und damit ihre Schönheit verlören, wenn man sie ganz dem Licht aussetze.
Diesen Gedanken greift Byun Chul Han gut 80 Jahre später wieder auf in seinem Essay „Transparenzgesellschaft“. In dem sich die Gesellschaft einem Transparenz- Wahn unterordnet und glaubt, alles sichtbar machen zu müssen, findet eine Pornographisierung der Bildwelten statt. Denn mit der Vorstellung, alles müsse sichtbar gemacht werden, geht der Glaube einher, alles sei auch sichtbar zu machen.
Andererseits werden die Bilder durch die quantisierte Messbarkeit des Erfolgs ihrer Zurschaustellung zunehmend nur noch anhand ihres Ausstellungswertes beurteilt. Bildproduzent*innen stehen also unter dem gesellschaftlichen und zunehmend internalisierten Druck, soviel Dinge wie möglich so erfolgreich wie möglich zur Schau zu stellen. Dergestalt durchdringt die Logik der Transparenz unseren Alltag und schließlich unsere Lebensführung.
Einerseits werden die Bilder durch ihre reine Masse bedeutungslos, andererseits verlieren sie durch die Annahme der vollständigen Abbildbarkeit der Wirklichkeit ihre Tiefe und Bedeutung. Sie werden auf ihre Oberfläche reduziert und verlieren, wie Tanizaki es ausdrückte, ihr Geheimnis und ihre Schönheit, die sich beide aus dem Ungezeigten und Ungesehenen nähren. 

Je mehr wir unsere Welt durchleuchten, je inflationärer wir Bilder produzieren und konsumieren, vor allem Fotografien mit ihrem Anspruch auf dokumentarische Authentizität, desto weniger sind wir also imstande, durch die so geschaffenen Oberflächen hindurch zu sehen und dem individuellen Bild eine tiefere Bedeutung zu geben. Noch während des Vietnamkrieges konnte eine einzige Fotografie zu einer gesellschaftsverändernden Ikone werden. Heute werden wir derart mit Bildern faktischen und fiktiven Grauens überflutet und können auf unendlich vielen Medienkanälen Gewalt und Elend, sowohl real als auch fiktiv, konsumieren, dass wir uns daran gewöhnt haben, die Gefühle, die wir eigentlich angesichts der erschütternden Bilder empfinden sollten, zu verdrängen. Die Bilder bleiben, aber die Reaktionen, die sie auslösen, finden unterhalb der Oberfläche unseres Bewußtseins statt. So wird also durch das penetrante Sichtbarmachen schließlich doch verhüllt.
Um diese Verdrängungsleistung überhaupt erbringen zu können und unsere Empathie- fähigkeit soweit herabzusetzen, dass uns Bilder von fremdem Leid nicht mehr zutiefst erschüttern, ist es notwendig, unsere Gefühle abzuspalten. Das wiederum geht einher mit dem Verlust unserer Selbstwahrnehmung. Denn nach dem derzeitigen Stand der Neurowissenschaften bestehen Gefühle aus der Wahrnehmung von Prozessen im Körper. Spiegelneuronen wiederum ermöglichen es uns, Gefühle einer anderen Person, die wir beobachten, im eigenen Leib nachzuvollziehen. Diese Funktionen müssen aber, angesichts der inflationären Zurschaustellung des Leids, unterdrückt werden
Durch unsere Routine der permanenten Abbildung aller nur möglich abbildbaren Dinge, verhüllen wir demzufolge schließlich die körperliche Welt der Empfindungen und Gefühle mit einer körperlosen, perfekt ausgeleuchteten Oberfläche. Wir blenden uns selbst und verdrängen mit der Inflation der Bilder die bedrohlichen Aspekte der Wirklichkeit und unsere dunkle Seite dazu. Der Psychoanalytiker Arno Grün nannte diesen Vorgang den „Verrat am Selbst“ und den „Verlust der Autonomie“. 

Mit ihrem aktuellen Werkkomplex „velato“ greift Adriane Steckhan präzise in diese komplexen Rezeptions-, Verdrängungs- und Konstruktionsprozesse ein.
Setzen wir uns mit den Arbeiten auseinander, begegnen wir zuerst einer lebendig strukturierten Oberfläche, einer Haut, die unverwechselbare Spuren von Bewegung zeigt und durch ihre Körperlichkeit dazu verlockt, sie zu berühren. Doch trotz des Pinselduktus’ der deutlich erkennbar ist, haben wir keine Malereien vor uns, sondern Fotografien, die sich sonst dadurch auszeichnen, unabhängig von einer individuellen Oberfläche zu sein und zu wirken. Sie sollen üblicherweise nichts anderes sein, als ein Fenster zu einem konkreten, authentischen Augenblick, dessen Licht eingefangen und reproduziert worden ist.
Die Reproduzierbarkeit des Fotos, die den sinnlichen Körper und die Einzigartigkeit des Abzugs negiert, wird durch die Materialität und die Individualität der Acrylpolymerhäute, die als Bildträger dienen, aufgehoben. Statt dessen haben wir singuläre und völlig gegenwärtige Bildwerke vor uns, die nicht dokumentarisch auf vergangene Ereignisse verweisen, sondern die selbst das Ereignis sind.
Die Art, mit der die Motive abgelichtet sind, widersetzt sich ebenfalls der Idee von Authentizität und Dokumentation. Aufgrund der Bewegungsunschärfen, die durch Langzeitbelichtungen entstanden sind, werden nicht die konkreten Dinge abgelichtet, sondern es werden mit ihren Lichtspuren eigenständige Farbräume, Tiefen und Bewegungen geschaffen, die eine ganz eigentümliche Ebene der Abstraktion öffnen, die das eigentlich Abgelichtete verhüllt. 

Adriane Steckhan, Bewehrung_Fragment_02

 Gleichzeitig werden die Bildereignisse durch Dunkelheit oder Helligkeit, Oberflächeneffekte und Transparenz aus der Kernzone des Wahrnehmbaren gedrängt. Derart irritiert versuchen wir, die wir es gewöhnt sind, in einer Welt des penetrant Sichtbar-Gemachten zu leben, die Motive, die sich im Licht und in der Dunkelheit verbergen, mittels unserer Vorstellungskraft wieder daraus hervor zu holen zu. Tatsächlich aber lassen wir Bilder entstehen, die in den Bereichen unterhalb der Oberfläche unseres Bewußtseins schlummern. Dieser schöpferische Prozess, zu dem wir genötigt werden, ohne es zu bemerken, ist wiederum angewiesen auf das Grundmomentum der Kreativität, nämlich die intuitive und emotionale Verknüpfung von geistigen Inhalten. Um aus den Ahnungen, die sich in der Bildtiefe verbergen, etwas Fassbares erstehen zu lassen, müssen wir also auf das emotionale Gedächtnis zurückgreifen, das aus einem unauflöslichen Gewebe von geistigen Inhalten und Körpererinnerung besteht. Wir müssen also auf das im Alltag abgespaltene, körperliche, emotionale Selbst zurück greifen. Und das, was wir aus dem Licht oder der Dunkelheit mittels unserer Vorstellungskraft bergen, sind genau die Inhalte, die wir sonst gewohnt sind, zu verdrängen. 

Genau diesen Effekt nutzte auch der Spätbarock-Bildhauer Guiseppe Sanmartino für seine Skulptur „Cristo velato“, von der Adriane Steckhan den Namen für eine neue Werkreihe und diese Ausstellung entliehen hat. Es handelt sich dabei um eine Darstellung des Leichnams Christi, der vollständig von einem dünnen Schleier bedeckt ist, wodurch der leichenhafte Eindruck der Figur drastisch verstärkt wird. Die Wirkung dieser Sichtbarmachung durch Verhüllung war damals so frappierend, dass unter Zeitgenoss*innen Sanmartios das Gerücht ging, er hätte einen echten Leichnam „marmorifiziert“.
Mit einer gewöhnlichen Darstellung des nackten, aufgebahrten Jesus’ hätte Sanmartino vielleicht Bewunderung für sein meisterliches Kunsthandwerk erregt, aber durch die Verhüllung nötigte er die Betrachter*innen zu einem imaginativen Akt, der wiederum eine emotionale Reaktion zeitigte, die weitaus tiefer ging. 

Nachdem Adriane Steckhan nun schon viele Jahre die genannten Mechanismen der Sichtbarmachung durch Verhüllung auf formaler Ebene erforscht hat, also die genannten Effekte von Licht, Dunkelheit, Oberfläche, Transparenz und Unschärfe, während sie auf der Motivebene vor allem Abrisslandschaften als Metaphern für Erinnerung und Verlust erkundete, wendet sie sich in jüngster Zeit auch der buchstäblichen Verhüllung als Motiv zu.
Ich möchte mich dabei auf drei konkrete Arbeiten beziehen. 

Adriane Steckhan, velato_03
 

„velato_03“ zeigt einen amorphen Schemen, der sich mit matter Helligkeit in einer undefinierbaren, braunschwarzen Finsternis zu manifestieren scheint. Er wirkt wie ein Spukgebilde, das durch seine Unfasslichkeit ein gewisses Unbehagen auslöst. Dabei handelt es sich um einen aufgebahrten Schädel aus der Goldenen Kammer der St.Ursula Basilika in Köln. Für restauratorische Zwecke wurde der Schädel in Plastikfolie eingewickelt.
Diese zusätzliche Information verleiht dem Bild vielleicht die Konnotation des Makabren, doch die beunruhigende Wirkung, die körperliche Präsenz der materiellen Aspekte des Bildes, die Verhüllung, die einem zunächst undefinierbaren Gegenstand eine immaterielle Anmutung verleiht und uns den Eindruck von etwas Jenseitigem, etwas Moribundem vermittelt, wirken unabhängig von dem Wissen um das konkrete Motiv.
Denn das Ereignis der Visualisierung und Kontextierung spielt sich in unserer emotional gesteuerten Vorstellungskraft, in unserem Körper ab. Das Bild wird von uns nicht nur rezipiert, sondern wir selbst müssen uns in die verschlingende Dunkelheit vorwagen und das Bild daraus hervor holen, es selbst vollenden. 

Adriane Steckhan, velato_02
 

Auch auf „velato_02“ sehen wir in der diesmal fast transparenten, geleeartigen Acrylpolymerhaut eine verhüllte Form. Die Überbelichtung löst ihre Umrisse im oberen Bereich auf und lässt die Form mit dem ausgelöschten Hintergrund verschmelzen. Das Licht scheint das Objekt tatsächlich zu Nichts zergehen zu lassen. Die Größe des abgebildeten Objekts entspricht den Maßen eines menschlichen Körpers, die Form und Größe des Bildträgers erinnert an die eines gläsernen Sarges. Das kollektive Bildgedächtnis ist dazu verleitet, das Motiv als einen verhüllten Toten zu deuten oder, kulturhistorisch chiffriert, als Darstellung Christi, wie sie uns von Heilig-Grab-Darstellungen oder der Grablegung bekannt ist, wie eben der Cristo Velato von Sanmartino.
Das umfassende und unspezifische Unbehagen, das uns angesichts der Verhüllung von „velato_03“ angefasst hat, wird hier von unserer Vorstellungskraft also zu etwas sehr viel Konkreterem ergänzt.
Tatsächlich handelt es sich um das Foto eines schlafenden Obdachlosen auf dem Vorplatz eines französischen Bahnhofs - ein Bild also, das man heutzutage so in nahezu jeder europäischen Stadt hätte aufnehmen können; ein Bild von der Sorte, die sich in unserem Alltag mehr und mehr aufdrängt und dabei immer mehr Verdrängungsaufwand erfordert, um sie nicht zu sehen.
Doch in dem wir selbst aktiv werden, um das Bild aus seiner Auflösung empor zu heben, wird etwas, das wir in der äußeren Welt bestenfalls an den Rand unserer Wahrnehmung oder sogar darüber hinaus drängen, zu einem Bild, das in unserem Inneren aufersteht, das wir im Fokus unserer Wahrnehmung mit dem Körper erfahrenen.
Zudem nutzt Adriane Steckhan ganz bewußt die kulturell eingeschriebenen Verhaltensspuren der christlichen Symbolik. Die im sakralen Zusammenhang erlernte Hinwendung zum geschundenen Leichnam Christi, wird durch die Adaption christlicher Darstellungsmuster umgeleitet auf den im Diesseits leidenden menschlichen Körper, der sich selbst versucht den Blicken zu entziehen und den wir gewöhnlich aus unserem Alltagsbewußtsein zu verdrängen versuchen. 

Adriane Steckhan, velato_skulptur_01
 

Mit „velato_skulptur_01“ wird ein weiteres Mal das Motiv des verhüllten Schädels ins Spiel gebracht. Ein Klumpen, dessen Größe und Form an ein menschliches Gehirn erinnern, ist eingewickelt in eine Acrylpolymerhaut, die durch warme orange und braune Farbtöne ein ledriges, ausgesprochen organisches Aussehen verleiht. An manchen Stellen wird die Haut von rostigen und verbogenen Bewehrungsstangen durchstoßen. Darunter verborgen ist ein Betonbrocken, ein Stück geborgenen Bauschutts von dem Abriss eines ehemaligen Kunstortes in Altona.
Die fotografische Vorlage stammt von einem Bild des Torsos der Künstlerin. In die Haut aus Acrylpolymer wurde also ein Bild einer tatsächlichen Haut übertragen.
Es ist schwer möglich, eine deutlichere Bildmetapher dafür zu finden, wie wir die Zerstörungen, die sich in der äußeren Welt unablässig ereignen, in uns selbst, in unserem Unterbewußten verkapseln. Gleichzeitig wird deutlich wie das, was im Inneren verborgen ist, die äußere Gestalt formt. Wir können all das, was wir fürchten, vor uns selbst und der Welt zu verbergen versuchen, aber die Oberfläche, die wir darüber legen, wird immer von den verborgenen Inhalten geformt.
Ein weiteres mal werden also die in uns verborgenen und verdrängten Tatsachen des Lebens spürbar und durch Verhüllung dem inneren Auge erst sichtbar gemacht. 

So gelingt es Adriane Steckhan uns mit ihren hochkomplexen und formal vielschichtigen Arbeiten an die blendenden und finsteren Grenzen zu führen, hinter denen das Leben zu Ende geht. Jenseits der Verhüllung durch Dunkelheit, Licht und Oberfläche lässt sie uns das Beunruhigende, das Abgespaltene, Verdrängte erahnen, auf das wir angewiesen sind, um unserem Leben Tiefe, Schönheit und Bedeutung zu verleihen. 


© Dr. Thomas Piesbergen / VG Wort, Oktober 2023

Montag, 2. Oktober 2023

23.10.2023: Neuer Kurs der Schreibwerkstatt "Das Textprojekt" in Hamburg, Altona

 


Liebe Literaturfreunde*innen!

Am Montag, den 23. Oktober 2023, beginnt ein neuer Kursabschnitt 1 der Schreibwerkstatt "Das Textprojekt".

Der Kursabschnitt 1 "Von der Idee zum ersten Entwurf" wendet sich vor allem an Schreibanfänger, aber auch an Schreibende, die ihre handwerklichen Fertigkeiten verbessern wollen.

Inhaltlich werden wir uns mit literarischen Grundkonflikten beschäftigen, mit der Gestaltung lebendiger Charaktere und dem Entwurf überzeugender und packender Handlungsverläufe und deren Struktur sowie allgemeinen dramaturgischen und handwerklichen Problemen.

Die Unterrichtseinheiten werden begleitet von Hausaufgaben, in denen die Teilnehmer die erlernten Techniken ausprobieren können - gerne auch im Rahmen eigener, bereits bestehender Projekte. Die so entstandenen Texte werden in der Gruppe besprochen. Alles darf, nichts muss...

Ich freue mich auf Ihre Rückmeldungen!

Mit herzlichen Grüßen,
Thomas Piesbergen



Die Themen im Einzelnen:

• Schreibmotivationen
• Authentizität und Fiktion
• Schreibmethoden
• Literarische Reduktion: Themen und Prämissen
• Konflikte und Transformation
• Charaktere: Protagonist und Antagonist
• Charaktere: Nebenfiguren und Dritte Kraft
• Charaktertiefe
• Charakterisierung
• Konflikte und ihre Entwicklung
• Akute Konfrontationen und verdeckte Konflikte
• Entwurf des Handlungsverlaufs: „Schicksalskurven“
• Gliederungsschemata: Dreiakter, Heldenreise, Regeldrama u.a.
• Struktur: Szenen, Schwellen, Spiegelungen, Motive
• Mechanismen der Eskalation
• Plot und Gegenplot
• Spannung erzeugen
• Das Setting
• Schauplätze
• Schreibhemmungen

Ort: Atelierhaus Breite Straße 70
Kursdauer: 2 Monate (8 x 2 Stunden)
Teilnahmegebühr: 200,- € / ermäßigt 160,- €
Zeit: Montags 19:30 - 21:30


Mittwoch, 2. August 2023

Schreibwerkstatt: Neues Kursmodul 3 ab dem 28. August 2023

Am 28. August 2023 beginnt ein neuer Kurs der Schreibwerkstatt "Das Textprojekt":

Abschnitt 3 - Die Überarbeitung

Der dritte Abschnitt wendet sich vor allem an Schreibende, die bereits Erfahrung mit dem literarischen Schreiben haben und bestenfalls einen abgeschlossenen Text, dem sie den letzten Schliff geben wollen. Letzteres ist aber keine Voraussetzung! 

Im Kurs beschäftigen wir uns mit der Ausarbeitung und Präzisierung der Kernaussagen literarischer Texte und der Erarbeitung einer geschlossenen stilistischen Gestalt.

Wir lernen unter anderem
- wie die charakterliche Kontinuität von Figuren aufrecht erhalten wird
- wie man die Repräsentation von Konflikten auf den Punkt bringt
- wie man Sätze, Absätze und Szenen so effektiv wie möglich herausarbeitet
- wie Dialogketten funktionieren
- wie man in Schichten schreibt
- wie verunglückte Szenen wieder eingerenkt werden können
- wie man sinnvoll und effektiv kürzt
- wie man Texten ein rhythmisches Gefüge und Melodie verleiht
- wie man typische Stilmacken vermeidet
- wie man perspektivische Fehler erkennt und korrigiert
- und wie man Texte mit farbigen Metaphern, präzisen Vergleichen und intensiven Sinneseindrücken  lebendig gestaltet.

Es sollten bestenfalls Texte vorhanden sein, die überarbeitet werden können. Eine Teilnahme ist aber genauso gut ohne umfangreiches eigenes Textmaterial möglich. 

Über eine baldige Anmeldung würde ich mich sehr freuen!

Ein neuer Abschnitt 1 beginnt am 23. Oktober 2018

Mittwoch, 31. Mai 2023

Neue Veröffentlichung: "Zwischen Licht und Schatten", ein Essay zum Werk von Elke Suhr

2021 zeigte das Künstlerhaus Sootbörn eine umfassenden Werkschau der Künstlerin und Galeristin Elke Suhr. Der nun erschienene Katalog "Overcoming the embrasure" wird begleitet von einem umfassenden Essay von Dr. Thomas Piesbergen.


Elke Suhr "Overcoming the embrasure", Hyperzine Verlag, Hamburg, 2023
Kleinauflage ohne ISBN


Sonntag, 7. Mai 2023

Schreibwerkstatt: Neuer Kurs ab dem 22. Mai 2023

 Am Montag, den 22. Mai 2023, startet die Schreibwerkstatt "Das Textprojekt" mit einem neuen Kursabschnitt: „Modul 2 - Die Textarbeit:  Eine Geschichte wird lebendig“.
Neueinsteiger und Schreibanfänger sind ausdrücklich willkommen!



Die inhaltlichen Schwerpunkte des Kurses sind

- die Strukturierung von Texten 
- der richtige Einsatz der unterschiedlichen Textarten  
  (Beschreibung, akute Handlung, narrative Zusammenfassung, 
  narrative Schilderung, Innenschau, Dialoge), 
- Szenendramaturgie 
- der richtige Umgang mit verschiedenen Perspektiven 
  (1. Person, 2. Person, Personal, Auktorial, Neutral) 
- Rückblenden 
- Varianten der narrativen Chronologie 
- Zeitstufen des Erzählens 
- Erzähltempo 
- Überleitungen 
- Resonanz 
- metaphorische Ebenen 
- sinnliche Elemente

und andere Mittel und Handgriffe, um eine Geschichte zu einem lebendigen Leseerlebnis zu machen.



Leitung: Dr. Thomas Piesbergen

Kursdauer: 2 Monate (8 Doppelstunden)
Termin: Montag 19:30 - 21:30

Teilnahmegebühr: 200,- / 160,- € ermäßigt

Teilnehmerzahl: max. 10

Atelierhaus Breite Straße 70
 (Hamburg - Altona, oberhalb des Fischmarkts)


Anmeldung: thomas.piesbergen (at) gmx.de
 
 

 

Dienstag, 2. Mai 2023

Vom Krieg gegen den Körper - Das dualistische Denken als Werkzeug patriarchaler Unterdrückung - Dr. Thomas Piesbergen über die kulturhistorische Bedingtheit des Textes „Das Zimmer des Dichters“ von Hilka Nordhausen, 1987

Anläßlich einer Ausstellung in der Berliner Hotel-Pension Nürnberger Eck und offenbar inspiriert von dem Zimmer, in dem sie dort untergebracht war, schrieb Hilka Nordhausen 1987 eine kurze Geschichte mit dem Titel „Das Zimmer des Dichters“.
Man kann den Text wohl am besten als eine Skizze bezeichnen, eine rasch hingeworfene, nachlässig formulierte Zusammenfassung mit szenischen Elementen; eine surreale Collage von Motiven aus trivialen Agenten-Thrillern und dystopischer Science-Fiction. 

Hilka Nordhausen, Illustration zu "Das Zimmer des Dichters", 1987


In der rasanten, ins Groteske überzeichneten Handlung tummeln sich Figuren wie Dr. Mabuse und der Ölprinz und betreiben kubanische Soldaten Geheimlabore in der Mongolei. Die zwei Protagonisten kommen einer internationalen Verschwörung auf die Spur, die versucht, den Halley’schen Kometen umzulenken, um die Welt ins Chaos zu stürzen und die Herrschaft an sich zu reissen. Im Zentrum der Handlung steht ein Kontrollgerät, das die Protagonisten entwendet haben, und das die verschiedenen beteiligten Parteien versuchen an sich zu bringen.
Schließlich laufen die Ereignisse ins Leere. Der Tonfall, vorher schludrig-umgangssprachlich, entwickelt eine karg poetische Anmutung. Während die Welt im Chaos versink, vegetiert die Erzählerin, davon unberührt, in Berlin unter falscher Identität vor sich hin. Sie wirkt betäubt, hilflos, abgeschnitten von der Welt. Nur noch ein paar lose Farbimpressionen scheinen von Bedeutung zu sein.
Illustriert sind die wenigen Seiten mit herausgerissenen Zeitungsannoncen, Fotos und zusammenhangslosen Skizzen, z.B. von einer Eidechse oder einer Anleitung, wie man einen Haschklumpen ohne Tabak, Blättchen oder Pfeife rauchen kann.


Hilka Nordhausen, Illustration zu "Das Zimmer des Dichters", 1987


Thematisch behandelt der Text vor allem Macht- und Kontrollwahn, Gier, Täuschung und Kontrollverlust - und schließlich Apathie. Alle Figuren der Handlung, bis auf das nicht definierte erzählende Ich, sind männlich, und bis auf den Begleiter dieses Ichs sind alle Figuren antagonistisch. Die Welt wird dargestellt als das Schlachtfeld kapitalistischer, männlicher Allmachtsphantasien.

Formal findet eine Zerstörung der meisten Konventionen des Erzählens und der Dramaturgie statt, auch läßt die Erzählung jeden stilistischen Anspruch vermissen. Man kann darin die Einflüsse der amerikanischen Underground- oder „Anti-Literatur“ vermuten, die sich meist grober Umgangssprache bedient und z.T. bewußt Genres ausschlachtet, die in der Regel als „Schundliteratur“ verfemt werden(1), (2).
Viele Leserinnen und Leser werden dem Text deshalb kaum zubilligen, er sei ein Stück Literatur, aber gerade deshalb fordert er uns mit seiner ungeschliffenen Radikalität als ein kulturelles Symptom heraus.

In welchem Millieu entsteht so ein Text? Und welche großen kulturellen Bewegungen sind dafür verantwortlich? Um den Antworten auf diese Fragen näher zu kommen, möchte ich einen großen kulturhistorischen Bogen schlagen und mich zunächst dem Problem sozialer Differenzierung und Kontrolle zuwenden. Dabei möchte ich mein Augenmerk vor allem auf das Spannungsverhältnis zwischen den Geschlechtern richten.
Ich möchte mich an dieser Stelle entschuldigen, daß ich mich dabei des hetero-normativen, binären Konzepts von Geschlechtlichkeit bediene, doch andere Geschlechtsidentitäten sind für die Epochen, die ich dafür zunächst heranziehe, kaum oder gar nicht fassbar.
Ebenso möchte ich um Verständnis dafür bitten, aufgrund der Komplexität des Themas viele seiner Aspekte nur streifen zu können. Aber es ergibt sich bestimmt die Möglichkeit, das eine oder andere in anschließenden Gesprächen zu vertiefen.

Wo beginnt also das Phänomen sozialer Ungleichheit und Kontrolle? Und wie kann man sich diesem Aspekt der menschlichen Geschichte überhaupt nähern?

Vor allem für die Frühzeit des Menschen sind soziale Strukturen und geschlechtsspezifische Differenzierungen extrem schwer zu fassen und die meisten Rekonstruktionen fußen lediglich auf Annahmen, denen entweder Vergleiche aus der Ethnographie zugrunde liegen, oder die unseren unbewußt projizierten Konventionen entspringen - unserem kulturellen blinden Fleck.

Ein Komplex des menschlichen Lebens jedoch bildet hier eine Ausnahme: die Mythologie. Hier kann die Urgeschichtsforschung nicht nur auf eine breite Basis  primärer Quellen zurückgreifen; als methodisches Werkzeug kann neben dem ethnographischen Vergleich zudem die systematische Retrodiktion als effektives Werkzeug genutzt werden.

Tatsächlich stellt die Mythologie eine ausgesprochen aussagekräftige Quelle für die Rekonstruktion gesellschaftlicher Verhältnisse dar. Denn über weite Strecken der Menschheitsgeschichte wurden alle Strukturen des menschlichen Miteinanders auf mythische Strukturen zurückgeführt. Die Ereignisse im menschlichen Leben galten als korrelierende Repräsentationen mythischer Vorgänge. Alles Handeln hatte seine Entsprechung im Mythos und wurde von ihm terminiert. So fanden auch alle Formen von Hierarchie, Ungleichheit und Kontrolle ihre Entsprechungen in mythischen und religiösen Ordnungen.

Gerade heutzutage tritt diese Verknüpfung wieder überdeutlich zutage, wenn in einigen Regionen der Welt unter Berufung auf religiöse Vorstellungen ganze Bevölkerungsgruppen nur aufgrund des Geschlechts entmündigt und unterdrückt werden. Doch selbst unsere säkulären politischen Systeme und Vorstellungen haben schließlich einen religiösen Hintergrund oder mythologische Strukturmerkmale.
So ist der Wirtschaftsliberalismus nicht denkbar ohne sein calvinistisches Menschen- und Gottesbild und der Kommunismus nicht ohne sein eschatologisches Geschichtsverständnis, das mit einem Goldenen Zeitalter beginnt und mit dem irdischen Paradies endet.

Wo liegt also der Ursprung der gesellschaftspolitischen Situation unserer spätkapitalistischen, und leider noch immer misogynen Welt verborgen? Wo begann die Entwicklung, die zu dem derzeitigen Status Quo geführt hat?

Wenden wir uns zunächst den Quellen zu, die Rückschlüsse auf die älteste fassbare ökonomische Ordnung zulassen:
Ging man ehemals noch davon aus, daß die Männer der Vorgeschichte jagten, während die Frauen sammelten und sich um die Kinder kümmerten, legen moderne Analysen von Knochenbau und DNA (3) sowie Analysen der Grabbefunde (4) nahe, daß in der Altsteinzeit weder geschlechtsspezifische Arbeitsteilung noch ein sozio-ökonomisches Ungleichgewicht zwischen einzelnen Gruppenmitgliedern oder den Geschlechtern bestanden hat.
Die Quellen zum ideellen Komplex hingegen lassen andere Schlüsse zu. Vor allem für die jüngere Altsteinzeit mit ihrer Explosion künstlerischer Gestaltung, die uns besonders in Form der Höhlenmalereien bekannt ist, liegt reichlich Material vor.
In der sog. Plakettenkunst des Magdalenien (ca. 18.000-12.000 v. Chr.) werden auf kleinen, realistischen, manchmal karikaturesken Kratzzeichnungen sowohl Männer als auch Frauen in der gleichen Stellung gezeigt, die als Adorantenhaltung bezeichnet wird, also in einer anbetenden Stellung (5). Beide Geschlechter werden nackt dargestellt. Hier begegnet uns womöglich erstmals der Topos der rituellen Nacktheit, die uns vor allem aus dem Antiken Griechenland bekannt ist.

In ihrer Rolle als Akteur*innen im Vollzug ritueller Handlungen erscheinen beide Geschlechter also zunächst als gleichwertig. Die Kleinplastiken des Jungpaläolithikums zeigen aber ein weit weniger ausgewogenes Bild. Hier dominieren die Abbildungen von Frauen mit stark betonten Geschlechtsteilen und deutlichen Kennzeichen der Schwangerschaft. Es ist sehr wahrscheinlich, daß es sich bei diesen Figurinen um die ersten Darstellungen einer universellen Muttergottheit handelt, um das Prinzip der Fruchtbarkeit, die nicht nur das Fortbestehen der Menschen sichern sollte, sondern das Fortbestehen des Lebens schlechthin (6).


Venus von Willendoorf (open source)

Diese Muttergottheit beherrscht zehntausende von Jahren weltweit das religiöse Denken und sie reicht bis an den Rand unseres historischen Horizonts.
Im jungsteinzeitlichen Catal Hüyük in Anatolien begegnet sie uns als die große Herrin der Tiere, die die Wildnis gezähmt hat und den Mondstier zur Welt bringt. Die Architektur- und Grabfunde aus Catal Hüyük deuten zudem auf eine gesellschaftlich deutlich privilegierte Stellung der Frau. Deshalb wird oft davon ausgegangen, daß der neolithische Komplex Vorderasiens matriarchalisch geprägt ist (7).

Minoische Schlangengöttin, Kreta (open source)


Ein Symbol, das der Muttergottheit im weiteren Verlauf zugeordnet wird, ist die Schlange als Symbol der Wiedergeburt und des ewigen Lebens. In dieser Kombination tritt die große Göttin vor allem im Nahen Osten und im Mittelmeerraum auf. Sie begegnet uns als Ereškigal in Sumer, als Arescha in Ugarit, als das weibliche, schlangenförmige Ur-Meer Tiamat in Mesopotamien, und sie ist die Schlangengöttin des minoischen Kreta, die mit großer Wahrscheinlichkeit identisch ist mit der pelasgischen Ur-Göttin Eurynome. Im Alten Ägypten erscheint sie als Qadesch, die Göttin der Heilung und der sexuellen Extase.
Sie ist die hellenistische Demeter und die römische Ceres, die nicht nur mit Getreideähren sondern ebenfalls häufig mit Schlangen abgebildet wurden.
Außerhalb Europas begegnen uns Göttin und Schlange als hinduistische Devi, die Gemahlin des Shiva mit ihrem Avatar der Kundalini-Schlange. In China erscheint sie als Nuwa, Schwester und Gemahlin des Urkaisers Fu Xi. Bei den Maya war sie bekannt unter dem Namen Ixchel, die Göttin von Mond, Fruchtbarkeit und Wasser. Bei den Inuit schließlich ist sie Sedna, die Urmutter tief unten im Meer.


Virgo Ceres, röm. Relief (photograph by Jyotrmoy Barman)


Neben der Schlange ist die explizite Zurschaustellung der Brüste ein weiteres wichtiges Merkmal der Göttin. Sie ist besonders auffällig bei den paläolithischen Figuren und später den minoischen Darstellungen. Für die minoischen Frauen ist die Selbstentblößung ganz offenbar Teil ihres Alltags gewesen, denn auf allen bekannten Darstellungen sind ihre sonst langen Kleider nur für diesen Zweck bis zur Gürtellinie ausgeschnitten.

Für den Mittelmeerraum kann als sehr wahrscheinlich angenommen werden, daß die Frauen im Rahmen dieser Traditionslinie bis in die frühe Bronzezeit eine mindestens gleichberechtigte sozio-politische Rolle gespielt haben, wenn sie nicht sogar das gesellschaftliche und religiöse Leben dominierten. Zudem gibt es keinerlei Hinweise darauf, daß die Schöpfer der genannten Darstellungen Männer gewesen sein müssen.
Die Entscheidung, den weiblichen Körper zu entblößen und abzubilden, wird also mit der größten Wahrscheinlichkeit von Frauen gefällt worden sein, ebenso wie der Blick auf den weiblichen Körper ein weiblicher gewesen sein wird.
Die Selbstentblößung kann entsprechend gelesen werden als ein religiös legitimierter Akt, in dem sich Selbstsicherheit und Stolz auf die eigene Geschlechtlichkeit und deren soziopolitische Machtfülle ausdrücken. Zeigte im minoischen Kreta oder im frühen Mykene eine Frau ihre Brüste, präsentierte sie selbstbewußt das, was ihre unantastbare gesellschaftliche Stellung legitimierte.

Minoisches Fresko, Kreta (open souce)


Die mythologische Entwicklungslinie der Großen Göttin wurde schließlich durch den  indoeuropäischen Einfluß aus Zentralasien langsam aber erbarmungslos zurück gedrängt (8). Im mykenischen Griechenland konnte die Frau ihre gesellschaftliche Rolle noch eine zeitlang mit Rückgriff auf die minoische Kultur und Tracht bewahren, doch die politische und ökonomische Macht ging mehr und mehr in die Hände der Männer über (9), während die Frauen Hüter der heiligen Riten blieben; ein Prozess, der sich Jahrhunderte später wahrscheinlich bei den römischen Vestalinnen wiederholte.
Die Darstellungen von Priesterinnen und Göttinnen wurden langsam von männlichen Figuren ersetzt, so z.B. von Zeus, der in der mykenischen Frühzeit noch eine unbedeutende Nebengottheit war (10).

Im klassischen patriarchalen Athen schließlich war die Macht gänzlich in die Hände der Männer übergegangen. Die öffentliche, rituelle Nacktheit war nur noch Männern vorbehalten, während sie für Frauen jetzt als anstößig galt. Tatsächlich wurde der Frau nicht nur vorgeschrieben, ihren Körper verhüllt zu halten, sondern ihr ganzes Leben sollte sich bestenfalls in den Mauern des Hauses abspielen, das sie nur zu rituellen Festen und in Begleitung verlassen durfte (11). 

Gaia bittet Athen um die Verschonung ihrer Söhne, Pergamonaltar, Berlin (open source)


Selbst in der Kunst, die nun nachweislich nur noch von Männern geschaffen wurde, galt die gänzliche Entblößung der Frau als skandalös, wie im Falle der knidischen Aphrodite des Praxiteles. Diese berühmte Plastik wurde später vor allem Vorbild für die Abbildung von Hetären, also Prostituierten am Rande der Gesellschaft, deren Nacktheit alles rituellen Kontextes beraubt war (12). Ihre Nacktheit ist nicht mehr als weibliche Selbstentblößung anzusprechen, sondern als männliche Zurschaustellung des sonst unzugänglich gehaltenen weiblichen Körpers, sie kann also durchaus als pornographisch bezeichnet werden.


Knidische Aphrodite des Praxiteles (open source)

Wir können im Verlauf der frühen europäischen Antike beobachten, wie die Frau ihre soziale Stellung verliert - und mit ihr das Recht, über die Präsenz und Darstellung des eigenen Körpers in der Öffentlichkeit zu verfügen. Indem der Mann den weiblichen Körper und dessen Sichtbarkeit kontrollierte, etablierte er seine unangefochtene gesellschaftliche Dominanz.

Ein weiterer interessanter Aspekt, der mit dem gesellschaftlichen Einfluß der Frau korreliert, ist die wirtschaftliche Organisation menschlicher Gruppen. Während in matrisch geprägten Gesellschaften das Wohlergehen der Kommune priorisiert wird, ist es in patrisch geprägten Gesellschaften vor allem der individuelle Haushalt, der ökonomische Macht akkumuliert. Entsprechend fand die kommunalistische Tempelwirtschaft in Mykene mit der zunehmenden Macht der Männer ihr Ende. Das sozialdarwinistische Konzept der Konkurrenz und der ökonomischen Hierarchie, wie es im Kapitalismus herrscht, ist genuin patriarchalisch. Was könnte schließlich den Kampf um Prestige und Ressourcen mehr erleichtern, als 50% der möglichen Konkurrenz lediglich aufgrund des Geschlechts von vornherein auszuschalten?

Doch bleibt die Frage, was sich im Kern der Kultur verändert hat, daß ein so grundlegender Wechsel der Vorzeichen stattfinden konnte?

Während die mythogenetischen Zentren der Großen Göttin meist in tropischen und subtropischen Gunsträumen lagen und mit Pflanzerkulturen assoziiert sind, die die Möglichkeit hatten, ortsfest zu siedeln, stammten die asiatischen Invasoren, die in der frühen Bronzezeit aus dem Nordosten nach Indien, Mesopotamien und in die Levante einfielen, aus weniger freundlichen Regionen, in denen das Nomadentum und die Jagd eine sehr viel größere Rolle spielten. Diese Umstände begünstigten offenbar die Rolle des Mannes in der Gesellschaft.
Wo diese gegensätzlichen kulturellen Kontexte aufeinander stießen, die Kulturträger aber nicht ausgelöscht, sondern kolonisiert wurden, wurden die ursprünglichen mythologischen Vorstellungen und Symbole einfach umgedeutet (13).

Um das zu illustrieren, möchte ich zwei Beispiele heranziehen:

Im akkadisch-babylonischen Enūma eliš wird die sumerische Urmutter Tiamat, „Die, die alle Götter gebar“, und die mit Schlange und Meer identifiziert wird, zu einem trägen, rachsüchtigen Seeungeheuer umgeformt. Zwar wird sie noch immer als Mutter aller Götter bezeichnet, doch als ihr Mann Apsu von den neuen Göttern getötet wird und sie mit elf von ihr erschaffenen Dämonen seinen Tod rächen will, wird sie von ihrem Enkel Marduk, dem Stadtgott Babylons, umgebracht. Anschließend zerteilt Marduk ihren Körper und schafft daraus Himmel und Erde (14).
Die ursprüngliche Schöpfung von einer weiblichen Gottheit wird also zur Makulatur, ihr Kontext wird zerstört und sie wird durch eine Neuschöpfung ersetzt, ausgeführt von einem kriegerischen, männlichen Gott, der aber dennoch auf das bereits Vorhandene angewiesen ist.

Marduk und Tiamat, babylonisches Rollsiegel (open source)

Mit dem zweiten Beispiel betreten wir einen mythologischen Raum, dessen Strukturen noch sehr viel weitreichendere Auswirkungen hatten und haben. Seine Überlieferung finden wir aufgezeichnet im Alten Testament bzw. in der Tora.
Die Schlange ist, wie in der babylonischen Umdeutung, zur Antagonistin geworden. Die vorherige Verbindung von Schlange und Urmutter wird zu einem Pakt mit dem Bösen.

Der Sünndenfall aus dem Codex Vigilanus, 11 Jhd. n Chr. (Quelle: Deutsche Bibelgesellschaft, 2008)


Die Motivation Evas vom Baum der Erkenntnis zu essen, erscheint uns heute völlig legitim, stellt sie doch ein Streben nach Emanzipation und Mündigkeit dar. In der Genesis heißt es: „An dem Tage, an dem ihr davon esset, werden eure Augen aufgetan und ihr werdet sein wie Gott und wissen, was gut und böse ist. Und das Weib sah, daß von dem Baum gut zu essen wäre und verlockend, weil er klug macht.“(15)
Doch Selbstbestimmung und Erkenntnis, vor allem die der Frau, haben keinen Platz in einer patriarchalen Ordnung. Statt dessen treten mit diesem Versuch der Selbstermächtigung bloß die Stigmatisierung der Nacktheit und das Konzept der Sünde in die Welt. Die weibliche Sexualität wird von nun an als verführerisches Instrument des Bösen diffamiert. Die verlangende Sexualität des Mannes wird erst durch sie hervorgerufen, um ihn vom rechten Pfad abzubringen. Die Frau ist also nicht mehr Quelle einer omnipräsenten heiligen Lebendigkeit, sondern sie gilt als die Ursache, aufgrund derer der Mann von seiner unmittelbaren Teilhabe am Heiligen abgeschnitten worden ist.

Doch durch diese Abschaffung der weiblichen Schöpfungsgottheit und der Verteufelung von Körper und Sinnlichkeit gerieten die mythologischen Systeme nun in die Verlegenheit zu erklären, wie es denn einer männlichen Schöpfungsgottheit überhaupt möglich sei, Leben hervor zu bringen. Die Große Mutter konnte gebären, die Schlange konnte sich häuten und zu neuem Leben erwachen. In beiden Fällen war der Ort, an dem sich die Schöpfung abspielte, der Körper. Doch wie sollte ein Mann gebären, dessen Körper dazu nicht imstande war - zumal dem Körper im alttestamentarischen Zusammenhang von nun an der Makel der Sündhaftigkeit anhaftete?

Um diesem Dilemma zu entgehen wurden vor allem zwei Lösungswege beschritten: Den einen finden wir in dem bereits beschriebenen babylonischen Enūma eliš. Zwar gebiert Tiamat alles Leben, Marduk jedoch tötet sie. Er zerstört die bisherige Ordnung der Welt und nimmt eine gewalttätige Revision vor, in dem er das vorhandene umformt.

Ähnlich verfahren der homerische und der olympische Schöpfungsmythos. Hier gebären zunächst Thetys bzw. Gaia alles Leben, müssen aber zuerst von Okeanos bzw. Uranos befruchtet werden (8). Entscheidend jedoch ist die darauf folgende Vernichtung der alten Götter durch die nächste Generation. So wie Marduk Tiamat und ihre Dämonen besiegt, so bringen Zeus und die olympischen Götter die Titanen um.
Ein ähnliches Muster begegnet uns in der indogermanischen Rigveda. Dort nimmt das Universum seinen Anfang mit Purusha, dem Ur-Menschen. Purusha bringt aus sich selbst Viraj, das weibliche Prinzip, hervor. Sie wiederum gebiert Purusha erneut, der anschließend von jüngeren Göttern geopfert wird. Aus seinem Körper formen sie nun die gegenwärtige Welt und all ihre Dinge (16). Auch hier wird also eine ältere Generation von Schöpfungsgottheiten von einer jüngeren vernichtet, um die Welt zu schaffen, bzw. neu zu gestalten, zugleich wird die Frau zu einer funktionalen Notwendigkeit reduziert, zu einer Durchgangsstation des männlichen Schöpfungswillens. Sie selbst spielt keine weitere Rolle mehr.

Die erste Variante der männlichen Weltschöpfung besteht also in erster Linie darin, eine vorangegangene Schöpfung zu zerstören, um aus ihren Trümmern etwas neues aufzubauen. Die reinste Form dieses Denkens ist im tanzenden Shiva verkörpert, der unentwegt zerstört und neu erschafft.

Shiva Nataraja, Chola Bronze, 11. Jhd. (open source)


Die zweite Variante, die sich bereits in der Befruchtung der Thetys durch Okeanos bzw. die Selbsterzeugung Purushas durch den Leib der Viraj ankündigt,  schlägt einen anderen Pfad ein.
In der indischen Samkhya-Philosophie, die stark von den Veden beeinflußt wurde, wird Purusha als männlicher ewiger Weltgeist verstanden. Sein dualistisches Gegenstück ist die weibliche Prakriti, die physische Natur. Wir erleben hier also eine Trennung von Geist und Welt, Geist und Körper.
Während in der Samkhya der weibliche, körperliche Aspekt der Wirklichkeit noch eine gewisse Bedeutung bewahren kann, erleben wir im levantinischen Komplex, aus dem die großen Offenbarungsreligionen hervorgegangen sind, eine weitgehende Abwertung des Körpers. Statt dessen ist es nur noch der Geist, der die Welt hervorbringt. In der Genesis heißt es: „Und der Geist Gottes schwebte auf dem Wasser. Und Gott sprach: Es werde Licht! (17)“
Hier genügt, in Ermangelung eines zum Gebären geeigneten Körpers, das Wort, die Idee, das reine Abstraktum, um Wirklichkeit und Dinglichkeit hervorzurufen. Und wie in der Rigveda erleben wir schließlich im neuen Testament den weiblichen Körper nur als funktionale Durchgangsstation in Gestalt der Maria. Gott, der aus der Trinität Vater-Sohn-Heiliger Geist besteht, gebiert sich durch Maria selbst, so wie sich der vedische Purusha durch Viraj selbst geboren hat.
Um dem Geist den alleinigen Anspruch auf die Fähigkeit zut Schöpfung zu sichern, muß der Körper, der in realiter Schauplatz dieses Wunders ist, folgerichtig diffamiert werden

Durch die Diffusion dieser Idee eines erschaffenden Geistes, der selbst nicht Körper ist, also jenseits der körperlichen Welt wirkt, entstand das dualistische Substrat, aus dem unser bis heute wirksames Konzept der Wirklichkeit hervorgegangen ist.
Es begegnet uns nicht nur im Kontext von Judentum, Christentum und Islam, auch im klassischen Griechenland brachte es Vorstellungen und metaphysische Konzepte hervor, die später wiederum ins Christentum zurück wirkten. Die Kopfgeburt der Athene durch Zeus, der sie sich im wörtlichen Sinne aus dem Kopf schlug, ist nur ein anekdotischer Verweis.
Das prominenteste und folgenschwerste Beispiel ist Platons Höhlengleichnis, das allen physischen Erscheinungen jegliche Relevanz abspricht, da diese nur ein Schatten der ewigen, göttlichen Idealbilder wären.
Unter dem Einfluß des levantinischen und platonischen Dualismus entstanden im spätantiken Vorderasien religiöse Systeme wie der Manichäismus oder die Lehren der Gnostiker, deren Wirkung auf das europäische Christentum so stark waren, daß sie im Mittelalter mächtige weltverneinende und körperfeindliche Bewegungen wie die der Katharer oder der Flagellanten und Geißler hervorbrachten.

Geißler, Konstanzer Weltchronik, 15. Jhd. (open source)

 Allen dualistischen Religionen, die den göttlichen Geist zur einzigen Wahrheit erheben, ist die Abwertung der Frau und des Körpers gemeinsam. Denn wenn nur der Geist von Bedeutung ist, können Körper und Natur niemals Quelle der Erkenntnis sein, wie es sich noch in vielen östlichen Religionen erhalten hat. Erkenntnis kann niemals vom Einzelnen in der Anschauung der Dinge, die sind, gewonnen werden, denn sie sind nichtig.  Ebenfalls wird die körperliche Erfahrung der Geburt, die bis in die Bronzezeit als Teilhabe am großen Geheimnis der Welt galt, bedeutungslos. Erkenntnis wird nur wenigen männlichen Propheten und Heiligen zuteil, denen sich der Geist Gottes aus eigenem Antrieb offenbart. Dem gewöhnlichen Menschen bleibt nur beschieden, sich einem jenseitigen Gott, seinem Propheten und seinen offenbarten Gesetzen zu unterwerfen, ohne sie zu hinterfragen. Und wer die Gesetze, die Steuerungsmechanismen der Gesellschaft in Händen hält, hat auch die Kontrolle. Eine eigene Erkenntnis von Gut und Böse, eine autonome Klugheit, wie sie Eva anstrebte, ist nicht erwünscht und wird deshalb als unmöglich oder sogar blasphemisch gebrandmarkt.

Ein weiteres, kennzeichnendes Phänomen, das mit der Stigmatisierung des Körpers einhergeht, ist die Verwerfung der Emotionalität. Im Hauptstrom unserer abendländischen Tradition, von Sokrates bis Descarte und darüber hinaus, galt als wichtigstes Werkzeug der Entscheidungsfindung und als einzig legitimer Handlungsimpuls immer nur die Vernunft, niemals das Gefühl, der Affekt.

Doch die Abwertung von Gefühlen zugunsten einer kontrollierenden Vernunft führen zwangsläufig auch zu einer Beeinträchtigung der Empathie. Schlimmstenfalls wird das Mitgefühl als „weibische Schwäche“ diffamiert. Ohne Mitgefühl jedoch sind die patriarchalen, auf Konkurrenzkampf und Kontrolle ausgerichteten Strukturen noch sehr viel besser zu etablieren. So verstärkt sich das entstandene System stetig selbst.

Die negativen Folgen der Verdrängung der Emotionalität sind uns erst seit den Forschungen von Sigmund Freud und seinen Nachfolgern in ganzem Umfang bekannt. Je stärker die Emotionalität verdrängt wird, desto bedrohlicher erscheint sie denen, die glauben, die Kontrolle zu haben, und desto erbarmungsloser wird sie bekämpft. Das gleiche kann für Aspekte der Weiblichkeit gelten.
Dem bekannten Psychoanalytiker Arno Grün zufolge ist die Abspaltung und Verdrängung unserer Gefühle ein schwärendes Krankheitssymptom, das auf der persönlichen Ebene zum Verlust der Handlungsautonomie und zur Neurose führt, auf gesellschaftlicher Ebene schließlich zum Faschismus (18).

Nach Gefühlen, besonders nach dem sog. Lustprinzip zu handeln, gilt auch heute noch in vielen Teilen unserer Gesellschaft als etwas Minderwertiges, Schwächliches, Lächerliches und wird fast immer als weibliches Verhaltensmuster gewertet. Diese Abwertung ist jedoch nicht nur typisch für Männer, auch zahllose Frauen haben sie internalisiert.
In den USA z.B. ist noch immer das Erziehungsmuster weit verbreitet, demzufolge sich Mütter von ihren Söhnen mit dem Eintritt in die Pubertät gezielt emotional und körperlich zurückziehen sollen, damit die Männer ihre Rolle als prägende Bezugsperson geltend machen können. Dieser Wechsel der Einflußsphären soll verhinden, daß die Jungen unter dem weiblichen Einfluß „verzärtelt“ werden (19). Statt dessen sollen sie lernen, ihre Gefühle zu unterdrücken, um in dem gottgefälligen Konkurrenzkampf einer sozialdarwinistischen Gesellschaftsordnung bestehen zu können. Nahezu identische Ansätze finden wir in dem nationalsozialistischen Erziehungsratgeber Die Deutsche Mutter und ihr erstes Kind von Johanna Haarer, das mit nur geringen Veränderungen bis 1987 aufgelegt worden ist. Auch ihr galt das lustvolle Verlangen und die Empfindsamkeit des Kindes als zentraler Störfaktor, den man zu disziplinieren hatte.

Heute können wir zum Glück beobachten, wie sich das Verhältnis zu Gefühl und Körper langsam verändert.

Diese Umwertung begann mit Denkern wie Spinoza, der Geist und Materie nur als zwei Aspekte ein und derselben Substanz ansah, über die hinaus nichts existierte (20), und später Charles Fourier, der argumentierte, Gott hätte uns doch sicher nicht die Lust eingepflanzt, wenn ihr zu folgen nicht klug sei. Für ihn bedeutete das Lustprinzip den goldenen Weg zur Befreiung der Frau und einer sozialen Utopie (21).
Auch Nietzsche hatte erkannt, daß der Verstand ohne den sinnlichen Körper nur wenig Bedeutung habe. Er schrieb:

Leib bin ich ganz und gar, und Nichts ausserdem;
und Seele ist nur ein Wort für ein Etwas am Leibe.
Der Leib ist eine grosse Vernunft, eine Vielheit
mit Einem Sinne
(22).

Welche tatsächliche Wirkmächtigkeit und Bedeutung die Gefühle für unser Bewußtsein und die Gesellschaft haben, dringt aber erst seit den 90er Jahren des 20. Jahrhunderts vermehrt an eine breite Öffentlichkeit, maßgeblich durch die psychologischen Publikationen von Daniel Goleman, der 1995 den Begriff der „emotionalen Intelligenz“ prägte (23).
Gleichzeitig mit der Erkenntnis, daß Gefühle der Prime Mover des Menschen sind und die logische Vernunft nur ihr Werkzeug, ergaben neurologische Untersuchungen zudem, daß Geist und Körper tatsächlich untrennbar miteinander verbunden sind, wie Spinoza postulierte, die kartesische Trennung also nichts anderes gewesen ist, als eine heute unhaltbare Spekulation.

Seit den 2000er Jahren wissen wir, ohne einen aus lebendigen Zellen aufgebauten Körper können Gefühle nicht entstehen, und ohne Gefühl für die eigene Befindlichkeit können keine Handlungsimpulse und kann kein Bewußtsein hervorgebracht werden (24). Die Leiblichkeit und die aus ihr hervorgehenden Affekte und Gefühle sind also unabdingbare Voraussetzung für alle Entwicklungen und alle Bewegungen des Lebendigen, des Menschen und seiner Kultur.

Interessant ist, daß wir parallel zu diesen wissenschaftlichen Erkenntnissen eine gesellschaftliche Entwicklung beobachten können, die darum bemüht ist, die soziale Bewertung anhand von Geschlechtsidentität oder sexueller Orientierung, die über Jahrtausende geherrscht hat, abzubauen. Der Körper soll aus der Herrschaft einer normierten Zuschreibung befreit werden; die Macht der Ideen über das, was physisch tatsächlich ist, soll gebrochen werden, damit die Individuen die Verfügungsgewalt über den eigenen Körper und dessen Darstellung zurückerobern können. Durch die Befreiung des Körpers wird den patriarchalen Strukturen eines ihrer wichtigsten Kontrollinstrumente entrissen.
Es scheint also, daß die starren Systeme mit ihrer dualistischen Abwertung des Körpers, der Emotion und der Weiblichkeit nun doch endlich ein Ende finden könnten.

Doch blicken wir nur ein paar Jahrzehnte zurück, in die 80er Jahre. Dort sah die Lage noch deutlich weniger ermutigend aus. Das noch unmittelbar erfahrene Trauma des zweiten Weltkriegs und der Nazi-Diktatur war erfolgreich verdrängt worden und wirkte deshalb umso zerstörerischer im kollektiven Unterbewußten.
Schon 1952 sagte Konrad Adenauer im Bundestag: „Ich meine, wir sollten jetzt mit der Naziriecherei mal Schluss machen. Denn verlassen Sie sich darauf: Wenn wir damit anfangen, weiß man nicht, wo es aufhört.
Der emotional-körperliche Komplex wurde abgespalten und betäubt mit Arbeit, um das Unerträgliche nicht ertragen zu müssen. Denn genau das hätte man freigelegt, hätte man mit der von Adenauer gescholtenen „Naziriecherei“ weitergemacht.
Als Reaktion auf die Katastrophen der Shoa und des zweiten Weltkriegs, die nur durch eine vollständige Abspaltung der Gefühle entstehen konnten, wie Arno Grün beschrieb, wurden in der Nachkriegszeit Gefühle ein weiteres mal massiv diffamiert, um sie nicht zulassen zu müssen (25), (26). Konsequenterweise waren die 50er Jahre in Deutschland gleichzeitig ein herausragend frauenfeindliches Jahrzehnt.Die Gegenreaktion der 68er brachte zwar neue Ansätze, doch war der politische Widerstand oft nur ein maskierter Generationenkonflikt. Von der verkündeten sexuellen Befreiung profitierten meist nur die Männer und viele der politisch linken Akteur*innen migrierten später ins bürgerliche oder sogar ins rechte Lager. Was noch an Veränderungswillen geblieben war, wurde in den reaktionären, kapitalistischen Millieus unter Kohl, Reagan oder Thatcher erstickt, die mit dem Narrativ vom „freien Westen“ und ihrer patriarchalen sozial-darwinistischen und später neo-liberalen Ideologie alle kollektivistischen Ansätze bekämpfte, deren zugrundeliegende Maxime das Mitgefühl ist. Es herrschte weiterhin der gefühllose, perfide Stumpfsinn der männlich geprägten Ideologie der „ökonomischen Vernunft“. Denn der dualistischen Tradition zufolge ist ja die Vernunft, vor allem die ökonomische, eine Männerdomäne. Das zeigt sich auch heute noch z.B. in der Ungerechtigkeit, die bei der Vergabe von Bankkrediten herrscht. Frauen werden Geschäftskredite nicht nur sehr viel häufiger verweigert, sie zahlen dafür auch deutlich mehr Zinsen (27).

Wie agiert man nun aber in einem solchen Umfeld, wenn man sich mit den Gegebenheiten nicht abfinden will, wenn man in einer Welt männlicher Logik ernst genommen werden will, wenn zudem aber das dualistische Denken, wenn die patriarchalen Strukturen als kulturell bedingter blinder Fleck internalisiert worden sind?
Ein Beispiel für das Handeln unter dem Einfluß dieser internalisierten Strukturen gibt die deutsch-türkische Autorin Lale Akgün. Bei ihr heißt es:
Jedes Betonen der Weiblichkeit war für Mama daher ein abscheuliches Vergehen, jede noch so kleine Geste, die als weibliches Verhalten hätte durchgehen können, tadelte sie als weibisch und prophezeite ‚eine freudlose Zukunft unter der Knute eines Mannes‘.“ (28)
Als eine Gegenreaktion auf die Herrschaft des Mannes sehen wir hier eine aggressive Verleugnung der Weiblichkeit - durch eine Frau. Um in der Auseinandersetzung mit männlicher Macht bestehen zu können, schien als einzige Lösung nahe zu liegen, sich männliche Verhaltensweisen anzueignen. Wohin diese Strategie schlimmstenfalls führen kann, zeigt uns das Beispiel Margret Thatchers, die der ebenfalls reaktionäre Ronald Reagan als „Englands besten Mann“ bezeichnete (29).

Margret Thatcher und Helmut Kohl (Quelle: Frankfiurter Rundschau)


Auch im Nachkriegsdeutschland blieb, um gegen die patriarchalen, reaktionären Strukturen anzugehen, aus Mangel an schöpferischer Perspektive und ohne Zugang zu den eigenen Gefühlen, meist nur die männlich geprägte, aggressive Lösung:
Die Ideologie oder die Zerstörung all dessen, was als untragbar erkannt wurde. Da die antikapitalistischen Ideologien im Laufe der 80er Jahre ihre Kraft aber weitgehend verloren hatten, blieb zuletzt nur die Zerstörung.

Ton Steine Scherben, "Macht Kaputt, was Euch kaputt macht!", Selbstverlag, 1970 (Quelle: discogs.com)

Jedoch war die Tatsache der Internalisierung patriarchaler Verhaltensweisen ebenso untragbar, wie die Verhältnisse selbst, gegen die aufbegehrt wurde. Also richtete sich dieser destruktive Impuls ebenso nach innen und wurde zur bewußten Selbstzerstörung.
Die Schlachtrufe der Widerständigen in den späten 70ern und 80er Jahren waren entsprechend „Macht kaputt, was euch kaputt macht“ (Ton, Steine Scherben), „Total destruction, the only solution“ (Bob Marley) oder „No future“ (Sex Pistols).


Sex Pistols "No Future", 1977, (Quelle: Jonathan Maurice)

Und so sehen wir in dem Text „Das Zimmer des Dichters“ nicht nur die literarischen Konventionen im Sinne einer Anti-Literatur zerstört, wir sehen auch die Figuren und das ganze Szenario in einer Situation, die von männlichen Handlungsmustern und destruktiven Lösungen gekennzeichnet ist:
Zwar gelingt es den Protagonist*innen auf dem Schlachtfeld kapitalistischer Interessen den Patriarchen den Schlüssel zur Macht zu entreissen - in diesem Fall das alles entscheidende Kontrollgerät - wodurch sie die Welt ins Chaos stürzen, doch wissen sie selbst mit diesem Gerät, das ihnen absolute Macht verleihen könnte, nichts anzufangen. Der Akt der Selbstermächtigung führt noch ins Leere und die Figuren bleiben der internalisierten und der im Außen wirksamen männlichen Machtlogik unterworfen.
„I don´t know what I want, but I know how to get it!“ (Sex Pistols)

Dennoch gibt es im Text eine Ahnung von dem, was fehlt, eine diffuse Idee, daß da etwas ist, das in den Körper, in die Lebendigkeit und in die Welt zurückführen könnte.

Als die Hauptfiguren der Geschichte durch das vom Halley´schen Kometen zerstörte Mexiko City stromern, heißt es: „Ich kann den Steinbruch nicht vergessen. Ich weiß, es hat eine Bedeutung, daß wir dort nach dem Erdbeben gelandet sind. In der riesigen, verwitterten Steinwand hatte ich weit oben geheime Türen entdeckt, hinter denen etwas passierte. Ich habe es mehr gespürt als gesehen. Längst sind wir zurück in der Stadt und ich spüre es immer noch. Irgendetwas ist mit uns.“ (30)
Doch diese Ahnung, die Empfindung von etwas Verborgenem, das auf die Erzählerin einwirkt, kann sich nicht entfalten. Zu sehr haben die internalisierten Strukturen die Erzählerin von ihrem Körper und ihren Emotionen entfremdet, zu sehr ist sie gefangen in einem System kapitalistischer Verwertung und ökonomischer Vernunft. Aber selbst in der tiefen, körperlosen Apathie, die sich daraufhin einstellt, zeigen sich zuletzt doch noch zaghaft die sinnlichen Impulse einer Welt, die nicht nur aus kalten, körperlosen Ideen besteht, sondern aus realer Erfahrung.
Eigentlich geht es mir gut. Aber eigentlich gehts mir gar nicht. Eigentlich bin ich erledigt. Die Tage gehen vorbei. Filme werden gewechselt, manchmal kriege ich eine andere Schicht. Hauptsächlich sitze ich in der Küche am Fenster. Ich existiere nicht.
Ich weiß selbst nicht, was es mit mir zu tun hat. Die Schatten der Gelblosen kleben mir an den Hacken. Dazwischen ist das Resedagrün vom Küchentisch. Das Land auf dem ich stehe ist grünlich-weiß wie Rauhreif und leer. Sehr leer.
Kein Charly, kein Dr. Mabuse, und Kairo meldet sich nicht.


Hilka Nordhausen, Illustration zu "Das Zimmer des Dichters", 1987


© Dr. Thomas J. Piesbergen / VG Wort, April 2023

 

(1) Alexander Kluy, Mythen, Dreck und Schlacke - 100 Jahre Charles Bukowski, Wiener Zeitung, 16.8.2020

(2)  R.D. Brinckmann, R.R. Rygulla, Acid - Neue Amerikanische Szene, März Verlag, Darmstadt, 1969

(3)  Marylène Patou-Mathis, Weibliche Unsichtbarkeit. Wie alles begann, Verlag Carl Hanser, München 2021

(4)  Hermann Parzinger, Die Kinder des Prometheus, C.H. Beck, München, 2014

(5) ebd. S.85

(6)  Joseph Campbell, Mythologie der Urvölker, Heinrich Hugendubel Verlag, München 1992

(7)  James Mellaart, Catal Hüyük - A neolithic town in Anatolia, Hudson & Thames, London 1967

(8)  Robert von Ranke-Graves, Griechische Mythologie Bd. 1, Rowohlt, Reinbek bei Hamburg, 1960

(9)  Manuela Wagner, Frauen im mykenischen Griechenland, Naturhistorische Gesellschaft Nürnberg, docplayer.org

(10)  Bettany Hughes, Mykene, in: Metropolen der Alten Welt, Köhler & Amelang, Leipzig, 2014

(11)  Elke Hartmann, Frauen in der Antike. Weibliche Lebenswelten von Sappho bis Theodora, C.H. Beck, München 2007 

(12)  Dietrich Willers, Nacktheit in: Der Neue Pauly, Enzyklopädie der Antike. Band 8, Metzler, Stuttgart 2000

(13)  Joseph Campbell, Mythologie der Urvölker und Mythologie des Westens, Heinrich Hugendubel Verlag, München, 1992

(14)  Der babylonische Weltschöpfungsmythos Enuma Elisch. Eingeleitet, neu übersetzt und kommentiert von Adrian Cornelius Heinrich, Beck, München 2022

(15) Große Lutherbibel, Deutsche Bibelstiftung, Stuttgart, 1975

(16)  Karl Friedrich Geldner, Rig-Veda. Das Heilige Wissen Indiens. Band II. 1923 

(17)  Große Lutherbibel, Deutsche Bibelstiftung, Stuttgart, 1975

(18)  Arno Grün, Der Verrat am Selbst. Die Angst vor Autonomie bei Mann und Frau, Causa, München 1984 

(19)  William F. Pollack, Jungen - Was sie vermissen, was sie brauchen, S. Fischer, Frankfurt, 2009

(20)  Baruch de Spinoza, Die Ethik nach geometrischer Methode dargestellt. (1677) Felix Meiner Verlag, Hamburg 1976

(21)  Charles Fourier, Theorie der vier Bewegungen und der allgemeinen Bestimmungen, Hrsg. Theodor W. Adorno, Suhrkamp, Frankfurt 1966

(22)  F. Nietzsche, Also sprach Zarathustra, Insel Verlag, München , 1976, S. 37

(23)  Daniel Goleman, EQ. Emotionale Intelligenz. dtv, 1997

(24) Antonio Damasio, Der Spinoza Effekt, List, Berlin, 2007 und Im Anfang war das Gefühl, Siedler, München, 2017

(25)  Sabine Bode, Kriegsenkel, Klett-Cotta, Stuttgart 2013 und Bettina Alberti, Seelische Trümmer, Kösel, München 2010

(26)  Arno Grün, Der Verrat am Selbst. Die Angst vor Autonomie bei Mann und Frau, Causa, München 1984

(27) mlk/dpa, Frauen werden bei der Kreditvergabe benachteiligt, spiegel.de, 4.3.2022 und Kredite: Frauen werden bei Anleihen und Darlehen diskriminiert, welt.de, 05.03.2019

(28)  Lale Akgün, Tante Semra im Leberkäseland. Geschichten aus meiner türkisch-deutschen Familie, Krüger Verlag, Frankfurt 2008

(29) Gerhard Volkery, Die Eiserne, spiegel.de, 08.04.2013

(30)  Hilka Nordhausen, Das Zimmer des Dichters, Selbstverlag, Berlin, 1987, 2. Auflage 1988