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Montag, 24. Oktober 2022

Die unscharfe Grenze zwischen Körper und Welt - Dr. Thomas Piesbergen zur Ausstellung „Acceleration Time of Desire" von Sophia Latysheva

Die Ausstellung "Acceleration Time of Desire" von Sophia Latysheva in der Galerie des Einstellungsraum e.V. findet statt im Rahmen des Jahresthemas "Autonom?"
 
 
Sophia Latysheva, "Acceleration Time of Desire", Einstellungsraum, 2022


Eines der grundlegenden Konstrukte unserer Wahrnehmung ist die Opposition von Selbst und Welt. Wenn der Akt einer Wahrnehmung stattfinden soll, so setzt das voraus, daß Etwas ist, während ein Anderes außerhalb von ihm ist, etwas, das es nicht selbst ist und deshalb wahrgenommen werden kann. Karl Jaspers bezeichnet diesen Sachverhalt als Subjekt-Objekt-Spaltung.
Allen (…) Anschauungen ist eines gemeinsam: sie erfassen das Sein als etwas, das mir als Gegenstand gegenübersteht, auf das ich als auf ein mir gegenüberstehendes Objekt, es meinend, gerichtet bin. Dieses Urphänomen unseres bewußten Daseins ist uns so selbstverständlich, daß wir sein Rätsel kaum spüren, weil wir es gar nicht befragen. Das, was wir denken, von dem wir sprechen, ist stets ein anderes als wir, ist das, worauf wir, die Subjekte, als auf ein Gegenüberstehendes, die Objekte, gerichtet sind.“ (1)

Diese Spaltung, die mit dem Erwachen des menschlichen Bewußtseins, das immer auch ein Selbstbewußtsein ist, einhergeht, bringt die grundlegende Dichotomie von Welt und Mensch hervor.

In der abendländischen Kulturgeschichte hat sich diese Opposition unter dem maßgeblichen Einfluß der dualistischen Buchreligionen mit ihrer Trennung von Gottheit und Welt, zu dem Konzept einer grundlegenden Trennung von Geist und Welt entwickelt. Die philosophiegeschichtlich bis heute wirksamste Formulierung in diesem Zusammenhang stammt von Descartes, der die Grenze zur Außenwelt um das wahrnehmende Subjekt zog. Definierend für die Innenwelt seien die res cogitans, die Dinge des Denkens, das Außen bezeichnet er als die res extensa, das Darüber-Hinausgehende. Descartes betonte: „Die Außenwelt könnte ein bloßer Traum sein.

Descartes definiert Geist und Welt also anhand ihrer Inhalte. Was er nicht beschreibt ist die Beschaffenheit der Grenze zwischen beiden Sphären, ebenso wenig berücksichtigt er den Prozess, in dem das eine in das andere übergeht. Er bezeichnet das Denkende als das „Ich“, aber den Prozess des Denkens selbst, den Prozess der Wahrnehmung, aus dem die Subjektivität ursprünglich hervorgeht, behandelt er nicht.
Die Unterlassung diese Grenze zwischen Selbst und Welt genauer zu untersuchen, ist dem geistigen Milieu des frühen 17. Jhd. anzulasten. Da Geist und Welt als unvereinbar miteinander galten und die Körperlichkeit der profanen Sphäre zugeordnet wurde, konnte die Grenze zwischen dem  Körperlichen und dem Geistigen, wenn überhaupt, nur Gegenstand metaphysischer Spekulationen sein, andernfalls hätte man zugeben müssen, es sei möglich, den Geist, also auch das Göttliche, sofern man seine Grenzen kenne, mit Mitteln der Vernunft zu erfassen oder sogar zu messen.

Erst in den letzten zwei Jahrzehnten wurde diese unüberwindlich scheinende Grenze zwischen Selbst und Welt, die Karl Jaspers ein unbefragtes Rätsel nennt, und die noch im Umfeld des radikalen Konstruktivismus der 1970er  als absolut galt, zusehends zum Gegenstand neurobiologischer, empirischer Forschung.
Allen voran hat sich der Neurowissenschaftler Antonio Damasio in seinen Untersuchungen über das Zustandekommen von Gefühlen auch mit dem Zustandekommen von Bewußtsein und Subjektivität auseinandergesetzt und das derzeit maßgebliche Modell vorgelegt, das die Grenze zwischen Innen- und Außenwelt nicht als digitalen Übergang beschreibt, sondern als ein Kontinuum.

Eine zentrale Rolle spielt dabei der Körper. Auch wenn diese Bedeutung auf der Hand zu liegen scheint, so haben wir dennoch ein tief verankertes kulturbedingt schizophrenes Verhältnis zu unserer Körperlichkeit. Denn wir betrachten den Körper einerseits als Teil der Dingwelt, die wir wahrnehmen können. Unserer abendländischen Denktradition zufolge ist er etwas Weltliches, Fleischliches,  und, dem christlichen Dogma folgend, etwas per se Sündhaftes, das von unserem geistigen Selbst geschieden ist.
Diese Vorstellung hat eine lange, persistente Tradition und liefert schließlich auch das ideologische Substrat für solche Konzepte wie den Posthumanismus, der den menschlichen Geist als von der Materie geschiedene Software begreift, die man irgendwann schließlich verlustfrei in Supercomputer hochladen könne.

Andererseits lehrt uns die Alltagserfahrung, daß es unmöglich ist, unser körperliches Befinden von unserem seelischen zu trennen. Denn jede Beeinträchtigung des Körpers schlägt sich auch seelisch nieder und jede seelische Regung zeitigt einen körperlichen Effekt, der uns ermöglicht, diese Regung als Gefühl zu erleben. Wir erfahren unseren Körper also nicht nur als etwas von uns Getrenntes, sondern zugleich als den Ort, an dem sich unser Selbst ereignet.

Nach Antonio Damasio ist die Wahrnehmung des eigenen körperlichen Zustands auch für das Zustandekommen von Subjektivität und schließlich des Bewußtseins essentiell.  Seinen Untersuchungen zufolge entsteht die Subjektivität aus den Bildern, die wir uns von unserem Körper als Ganzem machen, während er Sinneseindrücke aus der Außenwelt aufnimmt und zu Gegenständen des inneren Erlebens verarbeitet.
Diese sog. Körperkartierung schließt sowohl die Wahrnehmung des Rezeptionsvorgangs selbst ein, als auch unsere körperlichen Reaktionen darauf. Bewußtsein bedeutet also einerseits die Wahrnehmung wahrzunehmen, sowie die dadurch ausgelösten physischen Vorgänge, die wir in psychische Stimmungen übersetzen. Voraussetzung dafür ist jedoch die Selbstwahrnehmung der Zellen und ihrer jeweiligen Milieus. (2)

Hier transzendiert Damasios Modell bereits die herkömmliche Vorstellung, das Selbst sei im Gehirn oder im Nervensystem eingeschlossen. Wir wissen inzwischen nicht nur von dem sog. zweiten Gehirn, also den deutlich älteren dichten Nervengeflechten im Darmbereich, sondern auch von den Wechselwirkungen zwischen Nervenimpulsen und ihrem Transit-Milieu, von denen die neutralen Primärimpulse modifiziert werden.

Ebenfalls sind uns die epigenetischen Effekte bekannt, mit denen unsere Darmflora maßgeblich auf körperliche und seelische Zustände einwirkt. In diesem Zusammenhang stellt sich also nicht nur die Frage, inwiefern unser Selbst das Gehirn oder das Nervensystem transzendiert, sondern ob unser Selbst überhaupt einer Entität, die einer bestimmten Spezies angehört, zugeordnet werden kann, oder ob das, was wir als „Ich“ bezeichnen nicht vielmehr eine symbiotische Konstruktion ist, an der über vier Milliarden verschiedenste Bakterien in unserem Verdauungssystem beteiligt sind.

Doch auch in einem für uns viel konkreter erfahrbaren Zusammenhang offenbart sich der Charakter der Grenze zwischen Subjekt und Welt als der einer unscharfen Überganszone. Laut Damasio entsteht die Subjektivität vor allem aus der Wahrnehmung der Wahrnehmung, also einer Verbindung des Wahrgenommenen mit den wahrnehmenden Organen, was nur durch das sog. Körperschema möglich ist, also durch unser Konzept und unser Empfinden des eigenen Leibes. Dieses Körperschema jedoch, ist keineswegs statisch.

Der Neurologe Oliver Sacks beschrieb z.B. Menschen mit neurologischen Schäden, die Teile ihres eigenen Körpers nicht mehr als zu sich gehörend empfanden (3). Genauso kennen wir alle das Gefühl eines erweiterten Körperschemas, z.B. beim Hantieren mit einem Werkzeug oder Sportgerät, dessen Maße wir nicht bei jeder Aktion neu bedenken müssen. Wir entwickeln durch Gewöhnung ein Gefühl für die Erweiterung unseres Körpers. Diese Transzendierung des ursprünglichen Körperschemas kann soweit gehen, daß Autofahrer*innen ein Gefühl für den eigenen Wagen mit seinen Ausmaßen, seinen Eigenarten und Macken entwickeln, das ihnen ermöglicht, damit intuitiv zu manövrieren, ohne auf eine stark verzögerten Abgleich mit dem Logos zu warten.

Dem Paläoneurologen Emiliano Bruner zufolge ist dafür die Entwicklung des Parietallappens verantwortlich, in dem unter anderem die Koordination von Hand und Auge angelegt ist, die wiederum einen wichtigen Baustein für das Zustandekommen des Körperschemas bildet (4).

Anhand zahlreicher Gipsabgüsse der Gehirne von Hominiden konnte er eine kontinuierliche Vergrößerung dieses Hirnareals beobachten, die parallel zu der Entwicklung von Steingeräten verlief. Gleichzeitig konnte er spezifische Wechselwirkungen zwischen Werkzeug und dieser Region des Gehirn sfeststellen. Sobald ein Werkzeug richtig in der Hand liegt, ändert sich nicht nur die Leitfähigkeit der Haut, sondern es werden im Parietallappen Areale aktiviert, die für die damit ausgeführten Tätigkeiten sowie die Erinnerungen daran verantwortlich sind (5).


Im Laufe der Evolution bildete der Mensch also ein Hirnareal aus, das sich gezielt an die Anforderungen des Werkzeuggebrauchs angepasst hat und Objekte intuitiv auf ihre Eignung als Werkzeug untersucht.
Die Kognitive Archäologin Miriam Haidle schreibt zu diesem Phänomen: „Der Mensch wird nicht nur durch körperliche und geistige Eigenheiten charakterisiert, sondern wird erst verständlich durch seine unauflösliche Verknüpfung mit unbelebten Objekten, die durch ihn zu Teilen von Handlungen und dadurch der menschlichen Welt werden. Die Verbindung zwischen dem bewusst handelnden Subjekt Mensch und einem Objekt wird durch kognitive Prozesse geschaffen. Das Objekt wird dadurch als Werkzeug zu einer zeitlich begrenzten Erweiterung des Subjekts.“ (6)

An anderer Stelle weist Haidle darauf hin, daß Werkzeuge nicht nur unlösbar mit dem Menschsein verbunden sind, sondern auch unsere Wahrnehmung selbst beeinflussen. Durch sie lernen wir Qualitäten und Aspekte der materiellen Umwelt kennen, die uns ohne sie nur schwer oder gar nicht zugänglich wären. Zugleich verändern die durch sie gewährten Möglichkeiten den Blick auf die Dinge, die uns umgeben. Wer schon einmal Holz mit einer Axt gespalten und mit diesem Werkzeug dessen Materialität wahrgenommen hat, entwickelt eine andere Vorstellung davon, ein anderes Gefühl dazu. Werkzeuge erweitern also auch unsere kognitiven Sinne und damit unseren subjektiven Zugang zur Welt.

Es scheint also, daß der Mensch eine Evolution durchlaufen hat, während der er sich neurologisch an eine von ihm geschaffene Technosphäre angepasst hat. Er hat sich genetisch so verändert, daß er ebenso wenig ohne Werkzeuge denkbar ist, wie ein Einsiedlerkrebs ohne Schneckenhaus oder eine Köcherfliegenlarve ohne ihren Köcher. Werkzeuge sind Teil des Menschseins.

Betrachten wir vor diesem Hintergrund erneut das Selbst und forschen nach dessen Grenzen, müssen wir uns also die Frage stellen, wie weit es in die Sphäre der uns umgebenden Dinge hinein reicht? Wie die Grenze zwischen Selbst und Welt beschaffen ist? Und ist das, was wir als unser Selbst bezeichnen, nicht viel eher ein interaktives oder symbiotisches System organischer und anorganischer Elemente? 

Sophia Latysheva, "Acceleration Time of Desire", Einstellungsraum, 2022

Diese Fragen sind auch Ausgangspunkt der Arbeiten des aktuellen Werkkomplexes von Sophia Latysheva.

Dazu hat sie sich einem gesellschaftlichen Feld zugewandt, auf dem dieser Themenkomplex immer wieder sichtbar und öffentlich verhandelt wird: der Leistungssport. In jeder Saison werden neue Regularien erarbeitet, die bestimmen, wie Sportgeräte beschaffen sein dürfen, welche technischen und biochemischen Mittel zur Steigerung der Leistung legitim, und welche körperlichen Modifikationen zulässig sind.

Dem liegt die Vorstellung zugrunde, allen Sportler*innen die gleichen Voraussetzungen zu bieten, damit schließlich die rein individuelle Leistung beurteilt werden kann.
Doch schon bei minimalistischen Sportarten wie dem Skisprung beeinflussen bereits etliche technische Faktoren die erbrachte Leistung, wie z.B. Schnitt und Material des Anzugs, der Ski, das Wachs, die Bindung, der Schuh, der Helm etc.. Da sich zu diesem technischen Komplex auch noch zahllose körperliche und psychische Aspekte gesellen,  wird unter den Skispringer*innen meist nur noch von einem System gesprochen. Die Aufgabe der Athlet*innen besteht also vor allem darin, alle disparaten Elemente zu bündeln, sich zu eigen zu machen und mit ihnen zu einem System zu verschmelzen. Die Leistung wird also nicht nur von den Sportler*innen erbracht, sondern durch das synergetische Zusammenwirken verschiedenster organischer und anorganischer, materieller und immaterieller Bausteine, aus denen eine Entität jenseits der herkömmlichen Definitionen des Individuums hervorgeht, ein Ganzes, das mehr ist, als die Summe seiner Teile.

Sophia Latysheva, "Acceleration Time of Desire", Einstellungsraum, 2022


Noch deutlicher wird die unlösbare Verbindung von Mensch und Technik im Motorsport, in dem nicht nur die Sportler*innen miteinander konkurrieren, sondern auch die Ingenieur*innen, die für die Technik verantwortlich sind. Zugleich können wir eine maximale Anpassung der Maschine an die jeweiligen Pilot*innen beobachten. Die Gestalt der Maschinen wird perfekt auf die Körpermaße der Fahrer*innen zugeschnitten, damit Körper und Gefährt zu einer Einheit verschmelzen können.

Doch selbst wenn die Sportler*innen während eines Wettkampfes ihr  Sportgerät perfekt in ihr Körperschema intergrieren und es Teil ihres subjektiven Erlebens wird, glauben wir in der Außensicht noch klar trennen zu können zwischen Subjekt und Objekt, da diese Integration, selbst wenn sie , wie wir inzwischen wissen,neurologisch verankert ist, nur temporär stattfindet.

Sophia Latysheva, "Acceleration Time of Desire", Einstellungsraum, 2022


Wie sieht es allerdings im Falle der Prothetik aus, die z.B. im Para-Sport eingesetzt wird und die nicht nur vorübergehend genutzt wird? Wie sehr ist ein künstliches Hüftgelenk oder ein künstlicher Unterschenkel Teil unseres Selbst? Sind die gelaserten oder künstlichen Linsen von Golfspieler*innen, mit denen  sie ihre Sehkraft verdoppeln, Teil ihres Selbst oder Hilfsmittel, die die Forderung nach Fairness unterlaufen? Wenn Sportler*innen sich ohnehin unterscheiden durch Knochenbau und Muskeldichte, dürfen sich nicht auch ihre dauerhaften künstlichen Gliedmaßen voneinander unterscheiden, oder darf man nur mit normierten Prothesen an Wettkämpfen teilnehmen? Was ist Teil des Selbst und was nur ein körperfremdes Hilfsmittel? Und darf man die Entscheidung darüber Sportfunktionären überlassen?

Auf diese Kontexte bezugnehmend bestehen die Objekte der vorliegenden Ausstellung Sophia Latyshevas einerseits aus Teilen von Fahrrädern, Motorrädern und anderen hochtechnischen Sportgeräten, andererseits aus Glasfasern und Epoxidharz, wie sie in der Prothesenherstellung verwendet werden.

Sophia Latysheva, "Acceleration Time of Desire", Einstellungsraum, 2022


Die Form der Fahrrad- und Motorradelemente ist meist an den menschlichen Körper angepasst, um die Verschmelzung mit dem Körper, die Integration ins Körperschema und dadurch die bestmögliche Kontrolle des Geräts und die organischste Übertragung kinetischer Energie zu erreichen - die innige Umschlingung eines Sportmotorrads durch seine Fahrer*in haben wir alle vor Augen.
Die Geräte sind also so konstruiert, daß sie bestmöglich ins Körperschema integriert werden können und Teil des subjektiven Erlebens der Athlet*innen werden. In ihrer Form ist also das Konzept der Erweiterung des Körpers und der Selbstwahrnehmung evident.

Ergänzt werden diese Objekte durch Körperabformungen, die mit orthopädietechnischen Verfahren hergestellt werden. Doch auch wenn Herstellung und Ästhetik an künstliche Gliedmaßen gemahnen, sind die Elemente nicht von versehrten Körpern abgeformt, um etwas Fehlendes zu ersetzen und einen Mangel auszugleichen, wie es sonst für die Prothetik gilt. Vielmehr stammen sie von vollständigen, unversehrten Körpern.

Sophia Latysheva, "Acceleration Time of Desire", Einstellungsraum, 2022

Die Körperabformung sind also nicht gedacht als Ersatzteile, wie es Prothesen in der Regel sind, sondern machen die Objekte ganz im Gegenteil lesbar als Hinweise auf eine gleichwertige Erweiterung des organischen Körpers, die weder mit dem organischen Körper in Konkurrenz tritt, noch mit der an den Menschen angepaßten Technik.

Wir erkennen in den so entstandenen Objekten offene Systeme, die aus dem menschlichen Körper, seinen Dimensionen und Bewegungsmustern hervorgegangen sind und die ohne ihn bedeutungslos wären.
Wir sehen vor uns Systeme, in denen wir, entsprechend unserer evolutionären Adaption des Parietallappens, instinktiv nach einem ergonomischen Zugriff suchen, damit wir sie in unser Körperschema integrieren können, um in einem synergetischen Prozess unseren Wirkungsgrad, unsere Interaktion mit der Welt und in diesem erweiterten Handeln schließlich auch unser Selbst, unsere Subjektivität zu erweitern. Dadurch untergraben die gewohnte Vorstellung einer kartesischen Grenze zwischen Selbst und Welt, zwischen Geist und Körper.

Sophia Latysheva, "Acceleration Time of Desire", Einstellungsraum, 2022

Es wäre zu viel verlangt, von der künstlerischen Position Sophia Latyshevas Antworten zu erwarten. Aber das, was sie in jedem Fall leistet ist, um bei der Begrifflichkeit von Karl Jaspers zu bleiben, das unbefragte Rätsel unseres bewußten Daseins, die Grenze zwischen Subjekt und Objekt, schließlich doch zu befragen.

© Dr. Thomas Piesbergen / VG Wort, Oktober 2022

 

Literaturverweise

(1) Karl Jaspers: Einführung in die Philosophie. R. Piper, München 1953 / 1986, S. 24 f.

(2)  Antonio Damasio: Im Anfang war das Gefühl, Siedler, München, 2017, S.173

(3)  Oliver Sacks: Der Mann, der seine Frau mit einem Hut verwechselte, Rowohlt Verlag, Hamburg, 2003 

(4)  Niels Birbaumer & Robert F. Schmidt: Biologische Psychologie, Springer, Berlin, 2010

(5)  Dirk Husemann: Wie die Hand das Hirn formte, Bild der Wissenschaft 7, 2019

(6)  Miriam Haidle: How to think tools? A comparison of cognitive aspects in tool behavior of animals and during human evolution, Universität Heidelberg, Print-on-Demand, 2006