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Freitag, 7. Juli 2017

Erlebnisbericht & Fotogalerie der Vorgänge während der "Welcome to Hell"-Demo, 6. Juli 2017, St.Pauli Fischmarkt

Aus aktuellem Anlaß möchte ich die Öffentlichkeit des Textprojekt-Blogs nutzen, um aus erster Hand über die Ereignisse während des Demonstrationsauftakts der offiziell angemeldeten und genehmigten "Welcome to Hell"-Demo zu informieren.

Nach meiner Einschätzung wurde eine zunächst friedliche Demonstration, an der vielfältige Gesellschafts- und Alterschichten beteiligt waren, von der Polizei gezielt blockiert und angegriffen, um die genehmigte Demonstration schon vor Beginn des eigentlichen Demonstrationszuges methodisch aufzureiben.
Für diese Strategie spricht auch, daß gerade "Welcome to Hell"die einzige Demonstration während der G20-Tage gewesen ist, die keinerlei Auflagen bekommen hat. Ein befreundeter Polizist, der Hartmut Dudde bereits länger kennt, hat mir diese Einschätzung im vollen Umfang bestätigt. Er hielt die Planung und Durchführung des Einsatzes für verantwortungslos.

Ich möchte mit dieser Darstellung auf keinen Fall die Zerstörungen und Gewalttaten rechtfertigen, die in der Folge von marodierenden Banden in die Stadt getragen worden sind. Sie stellen vielmehr ein gesamtgesellschaftliches Problem dar. Die frustrierten und orientierungslosen jungen Menschen, denen sich ein Rahmen geboten hat, ihre Gewaltphantasien ungezügelt auszuleben, sind das kranke Produkt einer kranken Gesellschaft. Um solche Exzesse in Zukunft zu unterbinden, ist Repression ebenso nutzlos wie der Versuch, einen Topfdeckel auf einen überkochenden Topf zu pressen.

Die Vorgänge zum Auftakt der "Welcome to Hell"-Demonstration zeigen, daß die Strategie der Polizei zu keiner Zeit auf Deeskalation ausgerichtet war, wie es z.B. in Berlin inzwischen der Fall ist. Dort ließ man sogar eine unangemeldete autonome  Demo am 1. Mai 2017 zu, um eine gewalttätige Eskalation, die auch unbeteiligte betroffen hätte,  zu vermeiden.
Mit ihrem militärisch-strategischen Aufmarsch und Anfgriff hat die Einsatzleitung in Hamburg von Anfang an mehr als deutlich gemacht, auf welche Art und Weise sie die Auseinandersetzung führen möchte, nämlich mit Mitteln der Gewalt. Einsatzleiter Hartmut Dudde, Innensenator Andy Grote und Bürgermeister Olaf Scholz  haben die für Hamburg katastrophalen Folgen klar mit zu verantworten.

16:27
Wir gehen auf die Straße und zum Fischmarkt. Auf der Straße St.Pauli Fischmarkt eine deutliche Polizeipräsenz.

St.Pauli Fischmarkt 4, Blick zur Breiten Straße

St.Pauli Fischmarkt 4, Blick zum Fischmarkt
bis 17:45

Die Stimmung auf dem Fischmarkt ist entspannt und erinnert eher an ein Festival, als eine Demo. Zwischen den Kundgebungen gibt es Musik von den Goldenen Zitronen, Cpt. Gips und anderen.
Unter den internationalen Demonstranten sind zahlreiche junge Familien mit kleinen Kindern, ältere Leute, Studenten etc. Autonome sind eine deutliche Minderheit.
Die Polizei hält sich zunächst im Hintergrund.


Fischmarkt, "Welcome to Hell"-Demonstation

Patrouille am Fluttor zum Fischmarkt, "Welcome to Hell"-Demonstation

Demonstarnten, Fischmarkt, "Welcome to Hell"-Demonstation

Demonstarnten, Fischmarkt, "Welcome to Hell"-Demonstation

Demonstarnten, Fischmarkt, "Welcome to Hell"-Demonstation

18:00
wenigstens 7 Polizeihubschrauber sind am Himmel zu sehen und überwachen das Gelände großräumig. Inzwischen sind mehere Tausend Menschen auf dem Fischmarkt. Die Stimmung bleibt sommerlich entspannt.

Polizeihubschrauber über den Hafen, "Welcome to Hell"-Demonstation

Polizeihubschrauber über der Kreuzung St.Pauli Fischmarkt / Fischmarkt, "Welcome to Hell"-Demonstation
Demonstranten auf dem Fischmarkt, "Welcome to Hell"-Demonstation

Demonstranten auf dem Fischmarkt, "Welcome to Hell"-Demonstation

Blick zum Fluttor, "Welcome to Hell"-Demonstation

Blick über den Fischmarkt Richtung Fluttor, "Welcome to Hell"-Demonstation

Blick über den Fischmarkt hoch zur Breiten Straße, "Welcome to Hell"-Demonstation

ca. 18:10
Noch immer sind zahlreiche Familien mit Kleinkindern auf der Demonstration. Die Stimmung ist unverändert gut und friedlich

Blick über den Fischmarkt hoch zur Breiten Straße, "Welcome to Hell"-Demonstation

Demonstranten, Fischmarkt, "Welcome to Hell"-Demonstation

Blick zur Fischauktionshalle, "Welcome to Hell"-Demonstation

Demonstranten, Fischmarkt, "Welcome to Hell"-Demonstation

Innfo-Point, Fischmarkt, "Welcome to Hell"-Demonstation
Demonstranten, Fischmarkt, "Welcome to Hell"-Demonstation

Demonstranten, Fischmarkt, "Welcome to Hell"-Demonstation


ca. 18:30
Eine Hundertschaft marschiert von der Fischauktionshalle am Wasser entlang Richtung Hafenstraße. Bis auf harmlose Provokationen seitens der Demonstranten gibt es keine Zwischenfälle.

Demonstranten, Fischmarkt, "Welcome to Hell"-Demonstation

ca. 18:45
Der Beginn des Demonstrationszugs wird angekündigt. An der Spitze des Zuges auf der Mündung des Fischmarkts zum St.Pauli Fischmarkt wird eine riesiger, scharzer Plastik-Kubus aufgeblasen. Einige Dutzend Autonome und "Demo-Kids" maskieren sich mit Sonnenbrillen und Tüchern und versammeln sich auf der Straße, sie bleiben aber deutlich in der Minderheit.

Demonstranten bewegen sich zum St.Pauli Fischmarkt, "Welcome to Hell"-Demonstation

"Schwarzer Block", St.Pauli Fischmarkt, "Welcome to Hell"-Demonstation
18:50
Wir versuchen über die Straße zu unserem Haus zu kommen, aber eine BFE-Hundertschaft ("Beweissicherungs- und Festnahmeeinheit") marschiert die Häuserfront entlang Richtung Hafenstraße. Obwohl ich meinen Ausweis zeige und mich als Anwohner zu erkennen gebe, werde ich nicht durchgelassen.
Wie wir später über live-Berichterstattung des FSK erfahren, ist das eine der Einheiten, die sich auf der Höhe des Fischerhauses formiert, um von dort aus die Mitte des Demonstrationszuges anzugreifen.

Polizeieinheit am St.Pauli Fischmarkt auf dem Weg Richtung Hafenstraße, "Welcome to Hell"-Demonstation

Polizeieinheit am St.Pauli Fischmarkt auf dem Weg Richtung Hafenstraße, "Welcome to Hell"-Demonstation
18:55
Der Protestzug setzt sich in Gang. Nach etwa 200m wird er auf der Höhe des Pudels-Club von 2 Wasserwerfern und einer Hundertschaft Polizei aufgehalten. Grund der Blockade: Es befinden sich vermummte unter den Demonstranten. Über die Info-Wagen der Demonstrationsleitung wird darauf hingewiesen, man könne zwar niemandem verbieten, wie man sich anzuziehen habe, aber schließlich wolle man ja den Zug durchführen wie geplant und offiziell genehmigt.

Demonstrationszug, St.Pauli Fischmarkt, "Welcome to Hell"-Demonstation

Demonstrationszug, St.Pauli Fischmarkt, "Welcome to Hell"-Demonstation
19:26
Eine zweite Polizeieinheit drängt sich am Zug vorbei Richtung Hafenstraße, um sich parallel des Zugs zu formieren.
Aufmarsch einer zweiten Polizei-Einheit Richtung Hafenstraße, "Welcome to Hell"-Demonstation

Aufmarsch einer zweiten Polizei-Einheit Richtung Hafenstraße, "Welcome to Hell"-Demonstation
Formierung der zweiten Polizei-Einheit am St.Pauli Fischmarkt, "Welcome to Hell"-Demonstation
19:44
Wasserwerfer blockieren den St.Pauli Fischmarkt Richtung Breite Straße. Der Zug ist also von beiden Seiten blockiert.

 


Zwischen 19:45 und 20:40 Der Angriff

Die Polizei fordert die Demonstranten mehrfach auf, die Vermummung abzulegen. Laut einer Korrespondentin von NDR-Info, die in der ersten Reihe auf der Höhe des Pudel-Clubs steht, kommen etliche Vermummte der Aufforderung nach. Nach ihrer Darstellung gab es zu diesem Zeitpunkt noch immer keine Agression aus den Reihen der Demonstranten.

Dann beginnt ohne ersichtlichen Anlass der Angriff der Polizei. Die Einheiten auf der Höhe des Fischerhauses attackieren den Zug von der Seite. Gleichzeitig beginnen die Wasserwerfer am Zuganfang zu feuern. Der Zug wird in der Mitte getrennt, hunderte von Menschen werden von der breitflächig aufgestellten Einheit gegen die Flutmauer gedrängt und müssen sich vor den hereindrängenden, schwer gepanzerten Polizisten retten, in dem sie die 2m hohe Flutmauer zur Promenade hinaufklettern. Die Polizei bestreicht die Demonstranten auf der Promenade wahllos mit Wasserwerfern. 

Der hintere Teil des Zuges wird von der Polizei rasch Richtung Fischmarkt zurückgedrängt. Wir öffnen die Tür und etwa 30 Menschen können sich in unser Treppenhaus retten, darunter auch Verletzte und Sanitäter, die die verletzten im Treppenhaus versorgen.
Eine kleine Gruppe junger Leute nutzt das Treppen haus, um sich erst jetzt zu vermummen. Sie stürzen sofort wieder auf die Straße.

Die Polizei bildet eine Front quer über die Straße auf der Höhe St.Pauli Fischmarkt 3. 

Da wir in diesem Zeitraum damit beschäftigt waren, Flüchtende ins Haus zu holen und zu versorgen, konnten wir nicht forografieren. Deshalb hier die Links zu 3 Videos, die die Vorgänge während des akuten Angriffs sehr gut zeigen:




 

Mit Einsatz von Pfefferspray und Wasserwerfer rückt die Polizei in einer zweiten Welle weiter vor und riegelt die Straße zum Fischmarkt und zur Breiten Straße ab. Laut Radio FSK, das wir parallel hören und das mit mehreren Korrespondenten im Zug live verbunden ist, findet gleichzeitig ein massiver Wasserwerfer-Angriff auf die Demonstranten auf dem Fischmarkt statt.
Wieder retten sich etwa 30 Demonstranten in unser Treppenhaus. Wir versorgen sie mit Wasser u.ä.

Auf einer Pressekonferenz am 9.7. behauptet Einsatzleiter Hartmut Dudde, der Angriff habe stattgefunden, um zwei Gruppen vermummter Autonomer auf der Straße (Hafenstraße/St.Pauli Fischmarkt) zu isolieren, damit der Rest des Zuges wie beabbsichtigt marschieren kann. Wenn das beabsichtigt war, warum wurde dann auch der Fischmarkt abgeriegelt und angegriffen und der Zug von hinten ebenfalls blockiert?


Wasserwerfer auf dem geräumten St.Pauli Fischmarkt, "Welcome to Hell"-Demonstration

Abriegelung des St.Pauli Fischmarkts zur Breiten Straße, Legal-Team,"Welcome to Hell"-Demonstration

Abriegelung des St.Pauli Fischmarkts zu Fischmarkt, Legal-Team, "Welcome to Hell"-Demonstration
20:51
Die Polizei zieht sich zurück und die verbliebenen Demonstranten ziehen Richtung Hafenstraße, wo laut FSK zur selben Zeit die Wasserwerfer wieder massiv gegen den abgetrennten vorderen Teil des Zuges vorgehen.

Demonstranten des hinteren Zugteils ziehen vom St.Pauli Fischmarkt in Richtung Hafenstraße,
"Welcome to Hell"-Demonstration

Die "vermummten" Demo-Einhörner vor dem St.Pauli Fischmarkt 4, "Welcome to Hell"-Demonstration

Die Polizeieinheiten folgen dem neu formierten Demonstrationszug, St.Pauli Fischmarkt 4, "Welcome to Hell"-Demonstration


St. Pauli Fischmarkt Richtung Hafenstraße mit Flutmauer um 20:14, "Welcome to Hell"-Demonstration
Geräumter Fischmarkt um 20:15, "Welcome to Hell"-Demonstration

nach 21:15
Wir folgen den Demonstranten die Hafenstraße hinauf bis zur Mündung der Davidstraße auf die Hafenstraße, wo sich der Zug neu formiert. Die Polizei hält die Straße blockiert. Es gibt keinerlei Aggressionen seitens der Demonstranten. Die Demo-Leitung bittet die Polizisten, die Demonstration endlich wie geplant und offiziell genehmigt ziehen zu lassen. Es läuft Musik, die Demonstranten tanzen. 

Der geräumte St.Pauli Fischmarkt, "Welcome to Hell"-Demonstration

St.Pauli Fischmarkt, Blick zur Hafenstraße und der Pudels-Brücke, "Welcome to Hell"-Demonstration

Polizisten auf der Fußgängerbrücke beim Pudel-Club, "Welcome to Hell"-Demonstration

Mannschaftswagen am Ende des sich neu formierenden Demonstrationszuges, "Welcome to Hell"-Demonstration

Neu formierter Demonstrationszug in der Hafenstraße, "Welcome to Hell"-Demonstration

Neu formierter Demonstrationszug in der Hafenstraße unterhalb des Tropeninstituts, "Welcome to Hell"-Demonstration

Demonstrant, Hafenstraße, "Welcome to Hell"-Demonstration

ca. 22:00 (?)
Der Zug kann endlich langsam Richtung Landungsbrücken weiterziehen. Wir gehen zurück zum St.Pauli Fischmarkt. Auf der Höhe der Hafentreppe und dem Ahoi wird eine provisorische Barrikade aus Paletten und Matratzen quer über die Straße gebaut. Mehrere Mannschaftswagen tauchen auf, räumen die Straße und verschwinden wieder. Die Barrikade ist innerhalb kürzester Zeit wieder errichtet und brennt.








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