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Donnerstag, 3. März 2022

Die Maskierung von Selbst und Welt - Thomas Piesbergen zur Ausstellung „Fit for life - On nymphs behind masks“ von Jana Rippmann

Jana Rippmann, Fit For Life, Atelieransicht, 2022, Foto: J. Rippmann

Beschäftigen wir uns mit der Frage nach Autonomie, also der Eigengesetzlichkeit und Selbständigkeit, müssen wir uns zunächst mit der Frage beschäftigen, wie sich denn ein Selbst, das sich innerhalb eines noch nicht näher bestimmten Zusammenhangs abgrenzt und eigengesetzlich handelt, eigentlich konstituiert.

Der Existentialphilosophie Jean-Paul Sartres zufolge, kann sich der Mensch nur im akuten Erleben seiner selbst begreifen. Dieses Erleben kann sich nur im Handeln vollziehen. Was er ist, also die Essenz des Menschlichen, ist nicht gegeben. Der Essenz geht immer die Existenz voraus, also der Umstand, daß der Mensch überhaupt ist. Die Existenz manifestiert sich ihrerseits im Handeln, das erlebt wird und dadurch wiederum das Sein zeitigt.(1)

Dieser Ansatz, das Handeln als maßgeblichen Aspekt des Seins und der Konstituierung des Selbst zu betrachten, ist jedoch nicht ganz neu.
Bereits 1795 postulierte Johann Gottlieb Fichte, das absolute Ich existiere nur im Handeln und in der Anschauung seiner selbst während dieser Handlung. Alles, was sich diesem konkreten Handeln und seiner Reflexion entzieht, wird vom Ich als Nicht-Ich geschieden. Dieses Nicht-Ich ist mit seinen irrationalen Anstößen, die uns zur Handlung motivieren, aber essentiell für den Prozess der Selbsterfahrung, da ohne das Nicht-Ich keine Handlungsanlässe gegeben sind (2). Das bedeutet also, das Ich erfährt sich selbst in der Interaktion mit dem Nicht-Ich, also in dem es an der Schnittstelle zwischen Selbst und Welt agiert. Wir konstituieren uns demzufolge im Spannungsfeld von dem, was wir sind und dem, was wir nicht sind. Ohne eine uns umgebende Welt ist die Selbsterfahrungen nicht möglich.

Dieses essentielle Postulat begegnet uns bereits in der Spätrenaissance bei Michel de Montaigne, der schrieb: „Diese große Welt ist der Spiegel, in den wir hineinschauen müssen, um uns von Grund auf kennen zu lernen.“(3)
Die wechselseitige Bezogenheit von Selbst und Welt finden wir auch in „Die Lehrlinge zu Sais“ von Novalis, der unmittelbar von Fichte beeinflußt war. In dem Tempel der Göttin zu Sais suchen ihre Adepten nach der tiefsten Wahrheit der Welt, die sich hinter dem Schleier der Göttin verbergen soll. Dort heißt es: „Einem gelang es, - er hob den Schleier der Göttin zu Sais - Aber was sah er? er sah - Wunder des Wunders - sich selbst.“(4) So spiegelt sich nicht nur das Selbst in der Welt, sondern auch die Welt im Selbst.

Doch natürlich ist es dem handelnden Selbst nicht möglich, sich in der allumfassenden Totalität der Welt zu spiegeln und sich an ihr zu messen. Denn, wie Pierre Bourdieu feststellt: „Als Körper (und als biologische Individuen) sind menschliche Wesen immer ortsgebunden und nehmen einen konkreten Platz ein. (Sie verfügen nicht über Allgegenwart und können nicht an mehreren Orten gleichzeitig sein.)“ Dasselbe gilt für den sozialen Raum, in dem sie sich bewegen, der sich seinerseits, so Bourdieu, durch „wechselseitige Ausschließung“ definiert.(5)

Will man also wissen, anhand welcher Anhaltspunkte sich ein Selbst konstituiert, ist es notwendig, dessen konkreten und individuellen Erlebnisraum zu betrachten.

Dieser Erlebnisraum war Jahrhunderttausende zusammengesetzt aus den unmittelbar biologischen und den naturräumlichen Bedingungen des Individuums, zu denen sich bald ein zunehmend eigendynamischer kultureller Kontext gesellte, in den das Individuum eingebunden ist.
So steht es einerseits einer gleichgültigen Natur gegenüber, die jederzeit imstande ist, das erlebende Selbst mit Unvorhersehbarem zu konfrontieren, andererseits den individuellen und kollektiven Impulsen einer eigendynamischen sozialen Umgebung, die ebenfalls Ereignisse und Umstände zeitigt, denen das Individuum mitunter unvorbereitet begegnen muß.

Sollen der Handlungsrahmen und damit auch die Grenzen des Selbst erweitert werden, kann das Individuum entweder passiv auf zufällige Impulse aus der Außenwelt warten, zu denen es sich anschließend in Bezug setzen muß, oder es kann selbst aktiv nach neuartigen Impulsen suchen, wobei es zwar zunächst die Methodik der Suche gestalten kann, nicht aber die Gegebenheiten, auf die es dabei stößt und auf die es reagieren muß.

Diese Situation hat sich mit der Entstehung eines weltumspannenden, digitalen Informationsnetzwerks drastisch geändert. War es in den ersten Dekaden des Internets noch normal, sich eigenständig mittels Suchmaschinen und den ersten sog. sozialen Netzwerken auf die Suche nach neuen Inhalten zu machen, wurden bald von verschiedenen Softwareentwicklern Algorithmen programmiert, um immer detailliertere Profile der im Netz agierenden Individuen zu erstellen. Die Aufgabe dieser Profile ist es, speziell auf das Individuum zugeschnittene Inhalte anzubieten, die dem bisherigen Rezeptionsverhalten entsprechen, um eine Anbindung des Einzelnen an den Anbieter und schließlich eine Kontrolle und maximale Ausnutzung dessen Konsumverhaltens zu erreichen.

Mit dem Entstehen dieser digitalen, von Algorithmen gesteuerten und individualisierten Prothese der Wirklichkeit, hat sich also an der Begegnung von Ich und Welt etwas Entscheidendes geändert. Einerseits ist das Momentum des Unerwarteten und Zufälligen nicht mehr gegeben. Die Inhalte, mit denen uns die Algorithmen versorgen, liefern uns, sofern sie wie intendiert funktionieren, nur noch Informationen im Rahmen des Bekannten oder Naheliegenden. Wir müssen uns nicht mit einem Einbruch des Fremden und Überraschenden auseinandersetzen, das sich nicht mit unseren gewohnten Routinen verarbeiten läßt.

Andererseits wird durch die Vorauswahl, die die Algorithmen für uns treffen, der Prozess der eigenständigen Suche überflüssig. Doch gerade dieser Prozess hat ganz eigene Qualitäten, die uns viel über uns selbst und die Wirklichkeit lehren können. So äußerte J.W. von Goethe in einem Gespräch mit Carolin Herder: "Man reist ja nicht, um anzukommen, sondern um zu reisen."(6)
Denn eine Eigenart des Vorgangs der Suche ist ja gerade der, daß man dabei notgedrungen Stationen durchläuft, die mit dem Gesuchten nur mittelbar in Zusammenhang stehen und, selbst wenn das Gesuchte bekannt sein mag, uns dennoch Unerwartetes bieten, an dem wir wachsen können, da es die Grenzen des Bekannten und Antizipierten transzendiert.

Treffen wir hingegen ohne den Prozess der aktiven Suche nur auf Dinge und Gegebenheiten, die entsprechend unserer Begehrlichkeiten gefiltert worden sind, maskiert sich die Welt mit unseren Projektionen. Anstatt Dingen zu begegnen, die unser Selbstbild in Frage stellen, wird es ausschließlich bestätigt. Unsere vermeintliche Begegnung mit der Welt, mit einem Nicht-Ich im digitalen Raum, entpuppt sich als eine Selbstbespiegelung in einem narzißtischen Loop, der uns nicht mehr an unsere Grenzen und darüber hinaus führt und uns dadurch zeigen kann, wer wir eigentlich sind, sondern uns statt dessen vorgaukelt, die Welt käme unseren Begehrlichkeiten und Sehnsüchten entgegen, sei auf uns regelrecht zugeschnitten. Aber indem wir den Algorithmen überlassen, die Wirklichkeit zu maskieren, rauben wir uns die Möglichkeit, uns selbst zu begegnen. Indem wir den Spiegel maskieren, maskieren wir auch uns selbst. Ohne das Korrektiv eines tatsächlichen Nicht-Ichs werden unsere falschen Selbstbilder nicht in Frage gestellt, sondern verfestigen sich durch die digitale Selbstbespiegelung immer mehr.

Die Maskerade vollzieht sich nicht nur auf der hinlänglich bekannten Ebene der Täuschung anderer, in dem wir im Netz optimierte Avatare unserer selbst generieren und in den sozialen Netzwerken ein Leben vorspiegeln, das wir faktisch nicht führen, sondern diese Maskerade vollzieht sich auch auf einer subtilen Ebene, die sich unserer Wahrnehmung entzieht, und so zu einer ernstzunehmenden Störung des Selbstbildes führen kann.

Der Topos der Maske rückt auch zwei andere wichtige Aspekte der digitalen Welt in den Fokus. In archaischen Kulturen mit einer starken mythologischen Struktur und einer zyklischen Auffassung von Zeit begegnet uns die Maske als Mittel des Übertritts in den überzeitlichen Bereich der numinosen Ordnung der Welt. Die von den Masken versinnbildlichten Götter und Geister sind lediglich Symbole der verschiedenen Aspekte dieser Ordnung. Indem menschliche Akteur*innen sich im Ritual maskieren, werden sie eins mit den Entitäten, die sie darstellen, und entziehen sich dem zeitlich linearen Kontinuum. Sie werden selbst zu den überzeitlichen Ordnungsprinzipien und helfen, deren Aufrechterhaltung in der menschlichen Sphäre zu gewährleisten.

Im Hellenismus, vor allem unter dem Einfluß von Platons Lehre der Urbilder, entstand daraus schließlich das Konzept des Ideals. Im Gegensatz zu den göttlichen Entitäten, die mit Hilfe der menschlichen Akteur*innen die überzeitlichen Ordnungsprinzipien aktiv aufrecht erhalten, befindet sich das Ideal lediglich in vollkommener Übereinstimmung mit der überzeitlichen Ordnung, ist aber nicht für ihre aktive Erneuerung verantwortlich.
Ganz im Gegensatz zur Existentialphilosophie setzt diese Art des Denkens die Essenz des Menschlichen voraus. Das Handeln gilt hier also nicht als ein Prozess, in dem das Selbst durch das Erleben entsteht. Das Handeln dient lediglich dazu, das in der universellen Ordnung bereits angelegte ideale Selbst zu verwirklichen oder freizulegen. Dieses Konzept des Selbst begegnet uns in der Art und Weise, wie die digitalen Avatare aktuellen Idealen nachgebildet werden, und wie in öffentlichen Selbstdarstellungen sog. Perfektion angestrebt wird, die nichts anderes ist, als der Versuch, sich einer vermeintlich absoluten Ordnung anzunähern, an eine vorübergehende Übereinkunft im Mainstream, an eine Mode, deren Urheber das maskierte Selbst jedoch nicht ist.
Die Maskierung, die sich im Netz ereignet, entspricht also eher einer antiken Idealisierung als einer archaischen Maskierung. Der Prozess der Annäherung an ein Ideal, sowohl auf der Ebene des Individuums als auch auf der Ebene der Gestaltung virtueller Umgebungen und Prozesse, ist hinlänglich unter dem Begriff der „Optimierung“ bzw. „Selbstoptimierung“ bekannt.

Jana Rippmann, Fit For Life, Ausstellungsansicht, 2022, Foto: J. Rippmann

Jana Rippmann hat es sich mit ihrem aktuellen langfristigen und in stetem Wandlungsprozess befindlichen Projekt zur Aufgabe gemacht, diesem Selbst auf der Schwelle zwischen analoger und digitaler Wirklichkeit nachzuspüren.
Sie bedient sich dabei einer Technik, die in der Literatur maßgeblich von James Joyce und Virginia Woolf entwickelt worden ist und als „Stream of Consciousness“ bezeichnet wird. Arno Schmidt definierte sie wie folgt: „Die möglichst exakte Wiedergabe des Gemischs aus subjektivem Gedanken-Stromgeschnelle plus Dauerberieselung durch eine Realität.“(7) Wir erkennen in dieser Beschreibung unschwer das sich beobachtende Selbst an der Schnittstelle zwischen Ich und Nicht-Ich.
Die Realität, der sich Jana Rippmann dabei zuwendet, von der sie sich ganz bewußt „dauerberieseln“ läßt, ist allerdings eine digitale, von Algorithmen inszenierte Welt, auf deren Bildangebote sie wiederum reagiert und ihre Reaktionen im Sinne Sartres beobachtet, um so einem digitalen Selbst auf die Spur zu kommen.


Jana Rippmann, Fit For Life, Ausstellungsansicht, 2022, Foto: J. Rippmann

Im vollen Bewusstsein der von Algorithmen gestützten Idealisierung und Selbstoptimierung, die im Internet herrscht, hat sie die Filter durch gezielte Suchanfragen derart manipuliert, daß sie sie mit entsprechend vermeintlicher „Found Footage“ versorgen, auf der Objekte aus der Welt der Wellness und Körperoptimierung zu sehen sind, ebenso wie nahezu ideale Körper in akrobatischen Positionen oder einzelne Körpersegmente, die durch ihre Nacktheit eine vorgebliche Intimität suggerieren. Dazwischen tauchen, wie ein ironisches Zitat, Bruchstücke antiker Marmorstatuen auf - Verweis auf den platonischen Ursprung des Konzept vom Ideal als Denkansatz, sowie dessen Vergänglichkeit.

Jana Rippmann, Fit For Life, Ausstellungsansicht, 2022, Foto: J. Rippmann

Einen gegenläufigen, irritierenden Verweis auf die gestörte Zeitlichkeit der Netzwelten stellen hingegen die Sakura-Emojis, also Kirschblüten-Symbole dar, die in der Installation immer wieder aufscheinen. In Japan gilt die Kirschblüte als Inbegriff der Schönheit, die all ihren Zauber jedoch aus ihrer Vergänglichkeit bezieht. Diese ephemere Qualität geht in der digitalen, zeitlosen Idealisierung vollständig verloren, das Symbol wird seiner ursprünglichen Bedeutung beraubt und damit leer.

Jana Rippmann, Fit For Life, Atelliersansicht, 2022, Foto: J. Rippmann

Mit der narzisstischen Blase, die durch diese digitale Selbstbespiegelung mittels Projektionen der Begehrlichkeit auf das Nicht-Ich entsteht, korrespondiert eine beschwichtigende Klangtapete aus Wellness-Musik, die darauf ausgelegt ist, so wenig Konfrontation und Reibung wie möglich zu erzeugen, in dem sie nahezu vollständig auf Unerwartetes verzichtet.

Auf die Irrealität dieser Erlebniswelt verweisen schließlich phantastische Kreaturen wie Drachenabbildungen aus dem Repertoire westlicher Fantasy-Klischees oder aus dem asiatischen Kulturraum. 

Jana Rippmann, Fit For Life, Atelliersansicht, 2022, Foto: J. Rippmann


Gleichzeitig begegnen uns auf den von Algorithmen angebotenen Bildern die ersten Masken, die auf das Motiv des Übertritts von der Individualität in eine transpersonale, überzeitliche Welt verweisen; auf den Wunsch, das charakteristische, analoge und mangelhafte Selbst abzustoßen, um sich hinter einer Identität zu verschanzen, die einer mutmaßlich idealen Ordnung entspricht.

Jana Rippmann, Fit For Life, Ausstellungsansicht, 2022, Foto: J. Rippmann


Die erste, im Reich des Realen fußende Reaktion auf diesen betäubenden, dem körperlichen Ideal hinterher schmachtenden Selbst- und Weltwahrnehmung-Loop in der digitalen Bildwelt, stellen  physische Ready-Mades dar, die ursprünglich als Dekoration für Schaufenster hergestellt worden sind: Vielfarbiger Flitter, Glasobjekte, künstliche Schmetterlinge, Glanzpapier, Plastikblumen, Spiegel, Marmorimitat, Spitze. Mit ihnen wird die Qualität des Scheins und der Vorspiegelung, diesmal aus der analogen Sphäre der Massenfabrikation, noch einmal deutlich markiert und kommentiert.

Jana Rippmann, Fit For Life, Ausstellungsansicht, 2022, Foto: C. Diekmann

Und schließlich entdecken wir zwischen all diesen Bildern und Objekten, die lediglich das Ergebnis einer digitalen Ernte bzw. einer analogen Aneignung sind, Spuren tatsächlich erschaffenden Handelns: Denn inmitten dieser kruden, chaotisch anmutenden Inszenierung der Symptome einer unreflektierten Sehnsucht nach Perfektion liegen handgefertigte Objekte aus ungebranntem Ton. Mit ihrer bewußt unbeholfenen, plumpen Machart und ihrer materialbedingten Hinfälligkeit stechen sie einerseits scharf ab von den Abbildern der überzeitlichen Makellosigkeit, andererseits korrespondieren sie ganz organisch mit der unprätentiösen Art, mit der die Bilder und Dekorationsartikel zusammengewürfelt erscheinen.

Jana Rippmann, Fit For Life, Ausstellungsansicht, 2022, Foto: C. Diekmann


Hier geht uns das Gefühl an, zum ersten mal mit dem authentisch handelnden und empfindenden Individuum in Berührung zu kommen, das diesen konkret gewordenen Stream of Consciousness, diesen Versuch einer Kartierung des digitalen Selbst, hervorgebracht hat.
Wir betrachten nicht nur die austauschbaren, von Algorithmen gefilterten und deshalb bedeutungslosen Repräsentationen von Sehnsüchten und möglichen Selbstbildern, sondern wir erleben im physisch gewordenen Bewußtseinsstrom den Versuch, mit einer kaum greifbaren, hybriden Wirklichkeit unmittelbar in Kontakt zu treten und sie schließlich selbstständig und eigengesetzlich zu kompilieren und ordnend zu gestalten und sich selbst dabei zu beobachten, um in dieser Handlung eine authentische Spiegelung des Selbst zu entdecken.
Diese Selbstbeobachtung zeigt sich uns in Form von Fotografien, auf denen Ausschnitte vorangegangener Zustände der Gesamtinstallation zu sehen sind, die, wie alle anderen Elemente, anschließend in den Strom der Dinge eingegliedert worden sind.

Jana Rippmann, Fit For Life, Ausstellungsansicht, 2022, Foto: J. Rippmann

So wie die vorgeblich ungeübten Hände eines Menschen im ungebrannten Lehm tatsächlich einem Nicht-Ich begegnen und ebenso plump wie beharrlich nach einer Form suchen, so können wir schließlich auch dieses sich selbst konstituierende Ich in der Form erahnen, mit der es versucht, all die betäubenden Massen von widersprüchlichen Bildern und Dingen zu einem Ganzen zu formen, das, wie der Fluß des Heraklit, niemals statisch, ideal und sich selbst gleich bleiben kann, sondern im fortwährenden reflektierten Ringen mit der Erlebnissphäre das eigentliche Spiegelbild des nach sich selbst forschenden Ichs  auf der Schwelle der digitalen Welt wiedergibt; eines Ichs, das sich niemals in einem Ideal, sondern nur im fortwährenden und autonomen Handeln manifestieren kann. 

Jana Rippmann, Fit For Life, Ausstellungsansicht, 2022, Foto: C. Diekmann


© Dr. Thomas J. Piesbergen / VGWort, März 2022

Literaturverweise

(1) Jean-Paul Sartre: Ist der Existentialismus ein Humanismus? Drei Essays, Ullstein, Frankfurt 1989, S. 11

(2) Johann Gottlieb Fichte: Gesamtausgabe der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Bd. I. Hrsg. von Reinhard Lauth, Erich Fuchs und Hans Gliwitzky, Stuttgart- Bad Cannstatt, 1962

(3) Nikolaus Andreas Egel: Montaigne. Die Vielheit der Welt im Spiegel des Selbst. Magisterarbeit. Ludwig-Maximilians-Universität München, 2008

(4) Novalis: Gedichte - Romane, Manesse Verlag, Zürich, 1968

(5) Pierre Bourdieu: Ortseffekte, in ders.: Das Elend der Welt, Universitätsverlag Konstanz, 1997

(6) Goethe, J. W.: Gespräche,  dtv Verlagsgesellschaft, November, 1998

(7) Arno Schmidt: Sylvie & Bruno, in ders.: Zürcher Cassette, Haffmanns, 1996

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