Luitgart Hefter
Ein Kreuz is‘
Hanna hatte eine große Scheu vor den Dorfbewohnern. Ihr Tonfall schüchterte sie ein, sie gaben ihr das Gefühl, in wichtige Dinge nicht eingeweiht zu sein. Alle kannten Hanna, aber Hanna hatte nie den Mut, den Menschen ins Gesicht zu sehen, sie nahm nur die Farben ihrer Kleidung wahr. „Bist du nicht eine von den Wagner-Dirndln?“, fragten die Leute, wenn sie im Dorfladen einkaufen war, und baten sie, ihre Mutter Friedel zu grüßen. Hanna wagte nie zu fragen, von wem. „Ich soll dich grüßen“, sagte sie dann zu Hause. „Von wem?“ „Ich weiß nicht genau, von der Frau aus dem Kirchenchor, glaub ich.“ Friedel schimpfte natürlich mit Hanna, weil sie auf diese Weise nicht Buch führen konnte über ihre Grußeinnahmen, eine wichtige Währung im Dorf. Sie mußte ihre Schulden oft aus Gesprächen erschließen. „Vorgestern hab ich Ihre Kleine beim Prachtl getroffen.“ „Die Toni?“ „Nein, die andere, die, die immer so komisch schaut.“ „Ach, die Hanna. Ja, vielen Dank für die Grüße.“
„Warum wissen die Leute, wer ich bin“, fragte Hanna ihre Mutter. „Ihr seid eben die einzigen Kinder im Dorf, die Hochdeutsch sprechen“, antwortete sie, und damit war das Thema für sie erledigt. Es verunsicherte Hanna, daß in Friedels Antwort keine Begeisterung mitschwang. Sie selbst war stolz darauf, die Sprache zu sprechen, in der Bücher geschrieben wurden, aber außer der Großmutter und ihrer Lehrerin schien sie niemanden damit beeindrucken zu können. „Mit eurem Vater habt ihr bayerisch gesprochen“, sagte die Großmutter, und Hanna hörte eine Spur von Verachtung aus ihrem Tonfall heraus. Mit seinem Tod war im Haus der Wagners auch seine Sprache ausgestorben.
Um sich selbst zu versichern, wer sie war, bastelte sich Hanna einen Personalausweis. Sie schnitt ihr Gesicht aus einem der neuen Familienfotos aus, auf denen Friedel inmitten ihrer vier skeptisch blickenden Töchter zielstrebig lächelte. Als sei der Gang zum Fotografen ein Beweis, daß mit der Familie alles in Ordnung war. Hanna hatte sich gefragt, ob es wirklich ein Familienfoto war, wenn es keinen Vater darauf gab?
Sie klebte ihr Gesicht auf eine herausgerissene Heftseite und schrieb darunter: „Hanna Wagner. Alter: acht. Familienstand: Halbwaise. Beruf: Schulkind.“ Und zum Schluß notierte sie: „besondere Kennzeichen: spricht Hochdeutsch.“
Hanna trug ihren Paß immer bei sich und wollte sich in der Familie oft ausweisen, am liebsten wären ihr Kontrollen an jeder Zimmertür gewesen. Aber die Großmutter hatte nur einmal einen Blick darauf geworfen und gesagt: „Man sagt nicht Schulkind, es heißt Schüler.“ Friedel hatte entsetzt gerufen: „Hast du etwa das teure Foto zerschnitten?“ Und Toni hatte ihr den Paß aus der Hand gerissen, was sie oft mit Dingen tat, die Hanna lieb waren, und ihn so gehalten, als wolle sie ihn zerreißen. Sie sah ihn abschätzend an und sagte: „Unter ‚besondere Kennzeichen‘ hättest du schreiben sollen ‚immer schlecht gelaunt‘.“ Dann warf sie ihn vom Balkon hinunter direkt in das Planschbecken hinein. Später würde sie einen echten Paß besitzen, tröstete sich Hanna, und wenn sie dann immer noch keiner verstand, würde sie einfach abhauen. Bis dahin war es am besten, in jeder Hinsicht unauffällig zu bleiben.
Das ging nicht immer. Friedel war sehr engagiert in der Gemeinde. Oft wollte sie, daß ihre Kinder sie auf ihren Gängen ins Dorf begleiteten, allein die Religion verlangte jeden Sonntag ein gemeinsames Auftreten. Zusammen mit der Mutter und den Schwestern hatte Hanna noch weniger Lust, sich im Dorf zu zeigen. Sie fühlte sich nie beschützt, sondern im Gegenteil, noch verletzlicher. Irgendwann lernte sie das Wort „Spießrutenlauf“, das ihr auf solche Familienauftritte zuzutreffen schien – aber dann auch wieder nicht, denn es beschrieb nur das Unbehagen vor den Menschen, an denen sie vorbeigingen, es erfaßte nicht die innerfamiliären Katastrophen, die so ein Schaulaufen zur Folge haben konnte.
Friedel nahm alle möglichen ehrenamtlichen Tätigkeiten an, um die Leute im Dorf von ihrer charakterlichen Güte zu überzeugen. Sie führte die Pfarrbücherei, was Hanna noch recht gelassen hinnahm, weil es ihr Nähe zu Büchern verschaffte, auch wenn Hanna es nie wagte, sich die Bücher auszuleihen, die sie wirklich interessierten. Friedel hatte es zwar nie offen ausgesprochen, aber Hanna spürte, daß sie als Tochter der Bibliothekarin mit gutem Beispiel vorangehen mußte. Sie beneidete die Kinder aus dem einzigen Mietshaus im Dorf, über deren Eltern geflüstert wurde, daß sie SPD wählten. Immerhin durften die Sozikinder „Hanni und Nanni“ ausleihen, während auf Hannas Lesekarte fast nur Heiligenlegenden, „Sagen der Völker“ und Bastelbücher verzeichnet waren.
Friedel sang außerdem im Kirchenchor und gehörte zum Pfarrgemeinderat. Oft wurden Hanna auf dem Schulweg Botschaften für sie mitgegeben. „Sag deiner Mama, daß nächstes Mal ausfällt.“ Natürlich bekam Hanna Scherereien, wenn sie den Satz an Friedel weitergab. „Was fällt aus?“ „Ich weiß nicht.“ „Wer hat es dir denn gesagt?“ „Keine Ahnung, die Frau mit den Gummistiefeln, die immer beim Prachtl einkauft.“
„Ganz Prutzing kauft beim Prachtl ein! Hat sie denn gesagt, ob es um die Gesangprobe oder um die Sitzung geht?“ „Nein. Ich dachte, du weißt schon, was gemeint ist.“ Friedel wandte sich genervt von Hanna ab. Hanna wunderte sich, warum die Mutter nicht verstand, daß sie nach acht Jahren im Dorf nicht mehr fragen konnte: „Wer sind Sie eigentlich?“
Friedel war auch eine begabte Handwerkerin und Künstlerin. Im ganzen Haus hingen düstere Bilder von zugewucherten Schlössern, tiefen Brunnen und verlorenen Kindern im Wald. Es waren Laubsägearbeiten, die Friedel selbst angefertigt hatte, und sie gaben genau die bedrückende Stimmung wieder, die Hanna spürte, wenn Großmutter ihr Märchen vorlas.
Eines Tages brachte der Pfarrer Friedel eine hölzerne Jesusfigur, die neu lackiert werden mußte. Sie stammte von einem Wegkreuz in der Nähe des Zementwerks. Ihre Farbe war von Wind und Regen abgeblättert, und sie war von einer dicken Staubschicht bedeckt. Friedel wusch den Jesus mit einem neuen Spültuch, und als er wieder trocken war, schleifte sie seinen ohnehin mageren Körper noch weiter mit Sandpapier ab. Hanna tat es beim Zuschauen richtig weh, und auch Jesus‘ verblaßte Augen drückten ein unendliches Leid aus, aber Friedel war da nicht so zimperlich und vielleicht galt auch für ihn Friedels Wahlspruch: „Geh, stell dich nicht so an.“
Friedel lackierte seine Haut elfenbeinweiß, damit er schön krank aussah, und seinen Lendenschurz hellblau – die Farbe, die an männliche Babys, den Himmel und das bayerische Wappen erinnerte. In die Herzgegend malte sie eine klaffende Wunde und tupfte rote Blutspuren auf seine Hände und Füße. Zum Schluß gab sie noch ein paar Tropfen Rot auf die Stirn, damit man besser mitfühlen konnte, wie die Dornenkrone ihm in die Haut einschnitt. Eine Woche lang lag er mit ausgebreiteten Armen auf dem Eßzimmertisch, und die Familie mußte in der Küche essen.
Als Jesus fertig war, packte Friedel ihn in den alten Korbkinderwagen und befahl den Kindern mitzukommen, weil sie hinterher gleich in die Maiandacht gehen sollten. Sie deckte ihn mit einem Bettlaken zu, und los ging es. Toni und Netti marschierten neben ihr, Hanna versuchte, Abstand zu halten. Die einzige ihrer kindlichen Tätigkeiten, die sie im Dorf gern zur Schau stellte, war ihr Gang zur Schule. Den Schulranzen trug sie ohne Murren, ja sogar stolz. Aber bereits für einen Rucksack, wie er in dem Voralpendorf häufig getragen wurde, schämte sie sich. Der Wandertag gehörte für Hanna zu den unangenehmsten Tagen des Jahres. Sie fühlte sich merkwürdig unberechtigt, ein solches Ding zu tragen, als würde sie sich damit illegal als Einheimische ausgeben.
Einmal mußte sie Friedel zuliebe sogar Kniebundhosen anziehen, wie ihre Schulkameradinnen sie trugen. Sie wartete den ganzen Tag darauf, als Verbrecherin entlarvt zu werden.
Auch mit einem riesigen Kinderwagen, der mit einem weißen Bettuch verhangen war, wollte sie nicht im Dorf gesehen werden. Was würden die Leute von ihnen denken? Sie sahen ja nicht auf Anhieb, daß es einen Sinn hatte, was Friedel tat. In Hannas Kopf arbeitete es. Am liebsten hätte sie ein Megaphon dabeigehabt und eine Durchsage gemacht: DER PFARRER HAT UNS EINE JESUS-FIGUR GEBRACHT, UND DIE MUTTER HAT SIE NEU GESTRICHEN. JETZT BRINGEN WIR SIE ZUM PFARRER ZURÜCK. WEIL SIE SO SCHWER IST, MÜSSEN WIR SIE IM KINDERWAGEN TRANSPORTIEREN, UND AUS RESPEKT VOR DER HALBNACKTEN GOTTESFIGUR, HABEN WIR SIE ZUGEDECKT. Oder hatten sie sie zugedeckt, damit die andern nicht sahen, was sie transportierten? Hanna hielt den Gedanken, die Sache nicht erklären zu können, kaum aus. Sie glühte vor Aufregung und hoffte, daß sie keiner sah. Ihr fiel ein, daß sie es auch schrecklich fand, als ihre kleinste Schwester Netti im Kinderwagen durchs Dorf gefahren wurde, auch wenn sie nicht mit einem Bettlaken verhangen war. Ständig hatte Friedel angehalten, und Hanna hatte die Leute fragen hören: „Scho wieda a Madel?“, und gleich darauf hatten sie sich zu ihr heruntergebeugt und gesäuselt: „Freust di‘ über dei‘ Schwesterl?“ Und erst die beunruhigenden Geschichten über Sturzgeburten, Preßwehen und Dammschnitte, bei denen die Leute ihre Kinder aus dem Zimmer gescheucht hätten, wenn sie zu Hause erzählt worden wären! Wenn ein gesunder Säugling solche Schreckensgeschichten auslöste, was würde es bei einem gemarterten Jesus erst geben?
Sie gingen an dem großen, efeubewachsenen Haus vorbei, in dem die Geißlhubers wohnten. Frau Geißlhuber stand gerade im Garten und hängte Wäsche auf. Friedel grüßte, und schon kam sie näher und wollte in den Kinderwagen schauen. Hanna spürte, wie sich erklärende Worte in ihrer Kehle stauten.
„Geh, Frieda, hast scho‘ wieder eins?“
Der vorwurfsvolle Ton von Frau Geißlhubers Stimme lenkte Hanna ab. Woher sollte ihre Mutter ein neues Kind haben, es wußte doch jeder, daß sie Witwe war! Ein neuer Erklärungsbedarf tat sich bei ihr auf, aber da lächelte Friedel schon freundlich und sagte: „Nein, net was Sie denken.“ Friedel versuchte immer, bayerisch zu reden, hielt es aber nie lange durch.
„Was fahrst’n dann da umanand?“
Friedel zog das Bettuch weg.
„Jessas Maria!“ rief Frau Geißlhuber. „Wo hast’ denn den her?“
Hanna flüsterte in Richtung Toni: „Warum hat Mama den Jesus zugedeckt, wenn sie ihn jetzt doch jedem zeigt?“ Aber Toni hörte sie nicht. „Sonst friert er doch“, flüsterte Netti zurück.
„Ich hab ihn neu lackiert.“ In Friedels Stimme klang ein bißchen Stolz mit. Friedel strahlte Frau Geißlhuber an.
„Des hat doch früher immer die Bierbichler Kathi g’macht“, sagte Frau Geißlhuber.
Friedels Gesicht fiel in sich zusammen und ordnete sich schnell wieder neu. Hanna fand, daß es wie ein Puzzle aus verlegenen und höflichen Teilen aussah. Die Mutter hatte sich über den Auftrag vom Pfarrer sehr gefreut, und jetzt stellte sich heraus, daß sie, ohne es zu wollen, eine Frau aus dem Dorf ausgestochen hatte. Friedel legte, seit sie Witwe war, sehr viel Wert darauf, niemandem auf die Füße zu treten. Hanna spürte ihr Unbehagen.
Netti zog Friedel am Mantel und sagte: „Mama, gehen wir jetzt weiter?“
Friedel wurde rot im Gesicht und stupste Netti grob an. Sie wollte sich gerade bei Frau Geißlhuber entschuldigen, als diese zu Netti hinunternickte und sagte:
„Du red‘st ja wia a Preiß.“ Netti ließ das unbeeindruckt, und Frau Geißlhuber hob auch gleich wieder den Kopf hoch zu Friedel. „Da glaubt ma gar ned, daß des dem Sepp seine Kinder sind.“
„Dabei hat der Papa immer bayerisch mit ihnen gesprochen.“ Friedels Stimme klang, als wäre es eine Schande, daß ihre Kinder Hochdeutsch sprachen.
„Von dir wer’n sie’s ned lernen.“ Frau Geißlhuber lachte Friedel ins Gesicht und hängte eine riesige lange Männerunterhose auf. Zur Wäscheleine gerichtet, sagte sie: „Wenn mer ehrlich sind, hätt mer ned denkt, daß der Sepp mal an Flüchtling heirat‘.“ Frau Geißlhuber drehte sich wieder um zu Friedel, nickte noch einmal zu Netti und fragte in einem süßlichem Tonfall: „Ist des jetzt dei‘ jüngste, Frieda?“
Friedel sagte ja, und weil sie immer alles perfekt machen wollte, fügte sie hinzu, daß Toni neun ist, Hanna acht, und die fünfjährige Karin heute die Oma in Rosenheim besucht. Hanna stand einfach nur da und starrte auf Frau Geißlhubers Kittelschürze.
„Ich kann auch Bayerisch“, mischte sich Netti plötzlich ein.
„Des hört ma‘ aber ned“, sagte Frau Geißlhuber zu Friedel. „A Schand is, daß da Sepp so früa hat sterb‘m müssen. Hat ma ihn ned operier’n können?“
„Sie haben’s ja versucht, aber es war zu spät, der Krebs war überall.“
„Ja, des gibt’s ja ned! Is’ er in Rosenheim g’wesn?“
„Nein, zuletzt lag er in München im Krankenhaus.“
Hanna mußte unwillkürlich an ihren Vater denken und an das eine Mal, als er mit ihr nach München gefahren war. Es war ihre liebste Erinnerung an ihn, und auf einmal kam es ihr vor, als hätte sie den Lachvorrat ihres ganzen Lebens an diesem einen Tag mit ihm verbraucht. Sie wußte nicht, was in sie fuhr, vielleicht lag es daran, daß sich so viele Wörter in ihr gesammelt hatten, oder weil in Friedels Stimme keine Trauer mitschwang.
„Einmal hat Papa mich nach München mitgenommen.“ Hannas Gesicht glühte.
„Geh, Dirndl, was wuist denn du in der Großstadt?“, kam die tadelnde Stimme von Frau Geißlhuber. Hannas Herz begann zu pochen. Wie konnte sie annehmen, ihr Vater und sie hätten nicht etwas Wichtiges in München zu tun gehabt? Hanna spürte eine Wortwucht in sich aufsteigen, ihre Kehle schmerzte, und dann brach sich ihr riesiges Erklärungsbedürfnis einen Weg durch ihre Schüchternheit hindurch.
„Ich war dort, weil meine Augen in einer Klinik untersucht werden mußten.“ Als sie das ausgesprochen hatte, wich ihr aufgeregtes Gefühl einer unsäglichen Wehmut. Sie wandte sich an Friedel, und als könne sie von ihr Unterstützung erhalten, erzählte sie drauflos, wie schön es damals mit ihrem Vater war. Daß sie mit der Straßenbahn gefahren waren und schrecklich lachen mußten, weil ein Mann, der eine Stehlampe dabeihatte, aus Versehen „Stehschlampe“ gesagt hatte. Hanna kamen Tränen, und sie drehte sich weg.
„Stehschlampe! Stehschlampe!“ wiederholte Netti vergnügt und griff nach Hannas Hand. Frau Geißlhuber blickte Friedel strafend an. Friedels Gesicht war ganz bleich geworden. Netti wollte, daß Hanna wieder einen Freudentanz mit ihr hinlegte, wie sie es zu Hause manchmal taten. Dazu faßten sie sich an den Händen, tanzten im Zimmer herum und sangen dabei das Wort „Stehschlampe“. Es war ein kleines geheimes Ritual. Hanna wehrte Nettis Hand mit einem Schlag ab.
„Kinder!“ wies Friedel sie zurecht.
Toni hatte die ganze Zeit über ein bißchen abseits gestanden. Hanna sah, daß sie weiße Kieselsteinchen auf den sauberen Rasen der Geißlhubers rieseln ließ. Es sah aus, als würde sie den ordentlichen Garten mit großen Salzkörnern würzen. Toni hatte immer kleine Steinchen in der Tasche, die sie unterwegs fallen ließ wie bei Hänsel und Gretel. Vielleicht rechnete sie damit, eines Tages im Wald ausgesetzt zu werden.
Frau Geißlhuber fuhr Toni an: „Geh, was machst denn da! Darfst scho‘ a bisserl g‘scheiter sein, wenn’st die Älteste bist.“
Toni erschrak. Nichts traf sie härter als der Vorwurf, nicht klug genug zu sein. Sie haßte Hanna dafür, daß sie als die Vernünftige galt, dabei rackerte sie sich genauso ab, der Mutter alles recht zu machen. Toni blickte hilfesuchend zu Friedel, aber die sagte nur:
„Hörst du, was die Frau Geißlhuber sagt?“
Toni drehte sich wortlos weg, und Hanna sah, daß ihre Augen vorhatten zu weinen.
Friedel entschuldigte sich bei Frau Geißlhuber: „Ein Kreuz is‘ mit den Kindern.“
Friedel und ihre Kinder setzten ihren Weg fort, jede für sich, und Hanna wußte, daß die Mutter sich für ihre Kinder schämte. Toni und Hanna wischten sich die Tränen ab, und nach ein paar Metern rief Netti: „Ich will in den Kinderwagen.“ Aber der war ja bereits an ein höheres Wesen vergeben.
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